Pro Jahr diagnostizieren die Schlichtungsstellen der
Ärztekammern und der Medizinische Dienst jeweils einige Tausend
Behandlungsfehler. Tendenz: steigend. Über die Qualität der
ärztlichen Behandlung in Praxen und Krankenhäusern lässt sich aus
diesen Zahlen wenig ableiten. Die aufgedeckten Fälle machen nur einen
verschwindend geringen Anteil an den ärztlichen Eingriffen aus, die
jedes Jahr in Deutschland durchgeführt werden. Das spricht für die
Behandlungsqualität in Deutschland. Die Dunkelziffer der unentdeckten
ärztlichen Fehler wird aber hoch sein. Viele Patienten können oder
wollen sich noch immer nicht vorstellen, dass ihr Doktor einen Fehler
macht. Und ihn bei gar Kasse oder Kammer anzuschwärzen, bringen viele
einfach nicht übers Herz.
Die Zunahme der Beschwerden muss im Gegenzug aber auch nicht
bedeuten, dass die Behandlungsqualität schlechter geworden ist.
Erstens haben die ärztlichen Eingriffe insgesamt zugenommen –
Stichwort alternde Gesellschaft – und zweitens gibt es eben auch
immer mehr andere Patienten, die ihren Arzt nicht als „Halbgott in
Weiß“, sondern als Dienstleister sehen, der einen vernünftigen Job zu
machen hat. Insofern könnten die Bilanzen der Ärztekammern und des
Medizinischen Dienstes durchaus auch als Indiz für ein gestiegenes
Selbstbewusstsein der Patienten gewertet werden.
Ein Detail in den Zahlen, die der Medizinische Dienst
veröffentlicht hat, ist besonders interessant: Während der MDK nur in
jedem dritten aller insgesamt angezeigten Fälle einen tatsächlichen
Behandlungsfehler erkennen konnte, traf das auf die Hälfte der Fälle
im Pflegebereich zu. Eine solch hohe Bestätigungsquote zeigt: Hier
liegt etwas im Argen. Pflegebedürftige Menschen können sich oft nicht
mehr selbst artikulieren, sondern müssen das Glück haben, dass
Angehörige sich für sie einsetzen. Sie haben auch allzu oft nicht
mehr die Kraft für einen beschwerlichen Weg durch gerichtliche
Instanzen, um gegebenenfalls Schadensersatz erstreiten zu können.
Wenn Ärzte ausgerechnet bei diesen Menschen verhältnismäßig häufig
schludern, muss das den Medizinischen Dienst alarmieren – er muss in
Pflegeheimen offenbar noch genauer hinschauen.
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