Deutschland ist ein reiches Land. Wir leben in 
Frieden, genießen ein reiches kulturelles Erbe und haben nach dem 
Krieg eine Wirtschaftskraft und einen Sozialstaat aufgebaut, die in 
der Welt ihresgleichen suchen. Dank der seit mehr als 60 Jahren 
stabilen Verhältnisse haben die Deutschen auch ein enormes 
Geldvermögen angehäuft. Mit 6,3 Billionen Euro beziffert eine 
DIW-Studie das Nettovermögen der privaten Haushalte. Uns geht es also
gut, sehr gut sogar – wer sich beklagt, jammert auf hohem Niveau.
   Diese Sicht auf die Welt ist nicht ganz falsch, aber richtig ist 
sie auch nicht. Dem wachsenden Wohlstand steht leider die jeden Tag 
drängendere Erkenntnis gegenüber, dass sich der größte Teil des 
Kuchens in den Händen weniger konzentriert. Die sogenannte 
„Trickle-down-Theorie“, wonach der Wohlstand mit der Zeit wie von 
selbst von den reichen in die ärmeren Bevölkerungsschichten 
„durchsickert“, hat sich als ideologisches Trugbild der Reagan-Ära 
erwiesen.
   Die Schere öffnet sich weiter, in keinem anderen EU-Land ist das 
Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Ein Viertel unserer
Mitbürger hat gar kein Geld auf der hohen Kante oder ist verschuldet.
Viele wissen nicht, wie sie trotz Arbeit ihre Altersvorsorge stemmen 
sollen. Schulen, Schwimmbäder und andere öffentliche Einrichtungen, 
die vor allem den weniger Betuchten zugute kommen, verkümmern. Hinter
der Fassade der reichen Bundesrepublik braut sich ein Armutsproblem 
zusammen, das den sozialen Frieden eines Tages empfindlich stören 
könnte. Wenn die heutigen Niedriglöhner in Rente gehen, wird es 
jedoch zu spät sein. Die sichtbare Hand des Staates muss heute 
zupacken, um die für soziale Fragen untaugliche Hand des Marktes zu 
leiten.
   Es hat keineswegs mit Sozialismus zu tun, eine höhere 
Erbschaftssteuer und eine Wiederbelebung der Vermögenssteuer zu 
fordern. Um Bildung, Bibliotheken und Jugendprojekte zu fördern. Um 
das Problem der Altersarmut endlich anzupacken. Kaum ein anderer 
Industriestaat der Welt leistet sich so geringe Abgaben auf große 
Vermögen und verzichtet so fahrlässig auf den Beitrag der Starken. 
Warum nur verschleiert auch diese Bundesregierung die neue soziale 
Frage, obgleich sie mit Händen zu greifen ist? Ein wirklich reiches 
Land muss mehr für seine Schwachen tun. Armes, reiches Deutschland!
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