Vor über zwei Monaten hat Deutschland gewählt – doch
regiert werden wir immer noch von einem sogenannten
Übergangskabinett. Da sind immer noch die FDP-Minister im Amt,
obwohl ihre Partei längst nur noch außerparlamentarische Opposition
ist. Guido Westerwelle gibt in Genf staatstragende Erklärungen zum
Iran ab, und Noch-Minister Daniel Bahr geriert sich in Washington als
Beratungsexperte für Obamas Gesundheits-Reform. Könnte eigentlich
alles so weiterlaufen, werden vermutlich Millionen Deutsche denken,
ändert sich doch sowieso nichts. Und schaut man sich das
Endlos-Gezerre um eine mögliche große Koalition an, beschleicht auch
den journalistischen Betrachter dieses politischen „Ringelpiez mit
Anfassen“ manchmal das flaue Gefühl: Da ist was dran. Aber haben wir
noch ein wenig Geduld. Schließlich wollen Schwarz und Rot ja bald zu
Potte kommen. Verbindlich-unverbindlich wird er aussehen, der
Koalitionsvertrag, der dann noch von der murrenden Basis der
Sozialdemokratie abgesegnet werden muss. Er wird übrigens weitgehend
eine schwarze Handschrift haben, allen roten Einschwörungen der
letzten Wochen zum Trotz. Nun gut, beim Mindestlohn und bei der
Frauenquote hat sich die SPD – auf den ersten Blick zumindest –
durchgesetzt. Ob das reicht? Für vier Jahre vertrauensvolles
Miteinander? Doch offenbar ist es in der großen Politik wie auf dem
Fußballplatz: Kondition und Durchhaltevermögen ist das eine – Taktik
das andere. Siehe schwarz-grüne Schmuserei in Hessen – mit
ausdrücklicher Unterstützung der grünen Bundesspitze und echten
Chancen auf ein Bündnis – und Öffnung der Sozialdemokraten hin zur
Linkspartei. Die SPD sollte sich allerdings nichts vormachen: Sagen
die Mitglieder nein zu Angela Merkel, wird ihr ehemaliger grüner
Koalitionspartner ruckzuck Platz nehmen am Berliner
Verhandlungstisch. Einen Automatismus hin zu Neuwahlen, wann auch
immer, gibt es nämlich nicht. Nicht mehr. Die Hände reiben sich die
Linken um Gregor Gysi. Der scharfsinnige Berliner Anwalt darf sich
auf seine Opposition(-Führer?)-Rolle freuen, schon jetzt hat seine
Partei in allen Umfragen kräftigen Zulauf. Und eine Macht-Option
spätestens für 2017 dazu. Schließlich gibt es eine Mehrheit links der
Union rechnerisch schon jetzt, auch wenn sie aller Voraussicht nach
(noch) nicht umgesetzt wird. Fest steht: In vier Wochen ist
Weihnachten, und 2014 wird kommen – wer auch immer uns dann regieren
mag.
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