In Umfragen verteilen Bürgerinnen und Bürger recht
freihändig Noten fürs Regierungshandeln und für die
Oppositionsarbeit. Wer genau was macht, ist nur wenigen im Detail
klar. Die Noten werden ein bisschen nach Bauchgefühl vergeben. Armin
Laschet kennt das, er hat so ähnlich agiert bei der nachträglichen
Bewertung von Klausuren, die ihm auf unerklärliche Weise abhanden
gekommen sind. Ein peinlicher Vorgang, der ihn den Job als
Lehrbeauftragter der RWTH Aachen gekostet hat, aber wohl keiner, der
seine Position als Landeschef der CDU oder als Oppositionsführer
gefährden wird. Nach jetziger Schau, jedenfalls. Wer soll–s auch
sonst machen?
Beim kommenden Parteitag in Essen dürfte Laschet und seine
Parteifreunde umso mehr umtreiben, dass das Bauchgefühl der Bürger
offenbar noch immer sagt, dass Rot-Grün das Land so schlecht nicht
regiert. Trotz einer Reihe kleinerer und größerer Pannen
(beispielsweise Krafts Urlaubsaffäre, Streit um die Beamtenbesoldung,
verfassungswidriger Haushalt), hält die Regierungskoalition in den
allermeisten Umfragen solide ihre Mehrheit. Zugleich profitieren die
Christdemokraten weder vom Merkel-Effekt, noch haben sie es
geschafft, ihre mittlerweile chronische Schwäche in den Großstädten
wettzumachen. In Essen, wo sie als erster Landesverband überhaupt ein
Grundsatzprogramm verabschieden wollen, haben die Christdemokraten
jetzt selbst die Wahl: Noch ein wenig progressiver werden, sprich die
Unterschiede zu Rot-Grün weiter einschmelzen, oder doch den
konservativen Wesenskern herausschälen. Zur Markenpflege wäre
Letzteres besser. Für die Koalitionsfähigkeit – hallo, Grüne –
Ersteres. Klar ist: Ab Samstag wird der Wahlkampfmotor für 2017
angeschmissen.
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