NRZ: Das Schrumpfen muss organisiert werden – ein Kommentar von DANIEL FREUDENREICH

Wie viel Rente werde ich später noch bekommen? Wer
kümmert sich um mich im Alter? Muss ich bald in die Stadt ziehen,
weil mein Dorf verödet? Zugegeben, beim demografischen Wandel handelt
es sich um einen ziemlich abstrakten Begriff. Doch dieser Wandel hat
immense Folgen für jeden Einzelnen. Die Bevölkerung schrumpft und die
Bürger werden älter. Es gibt immer weniger Arbeitnehmer, die später
die Renten schultern müssen. Die Wirtschaftsleistung könnte sinken,
weil Fachkräfte fehlen, die Erwerbstätigen älter und womöglich
weniger leistungsfähig werden. Ganze Landstriche drohen auszubluten,
weil es die Menschen in die Städte zieht. In der Provinz wird der
Erhalt der Infrastruktur immer schwerer. Immobilien verlieren dort an
Wert.

Diese Beispiele zeigen, wie überfällig es war, dass sich die
Regierung des Themas angenommen hat. Doch von dem Demografiegipfel am
Donnerstag wird man abgesehen von schönen Bildern und
Absichtserklärungen nicht viel erwarten können. Das liegt auch an der
Demografiestrategie der Regierung. Dort hat sie alle Programme,
Projekte und Ideen zusammengeschrieben, die die Folgen des Wandels
irgendwie abmildern sollen. Freilich geht manches in die richtige
Richtung, etwa die bessere Kinderbetreuung und Förderung flexibler
Arbeitszeiten für Frauen. Ob sie deswegen mehr Kinder bekommen, steht
in den Sternen. Dem Konzept fehlt aber die große Strategie. Über all
dem schwebt auch die Frage, wie viele Menschen später in Deutschland
tatsächlich leben sollen. Es ist doch ein gewaltiger Unterschied, ob
es 65 oder 80 Millionen sind. Wenn die Bevölkerungszahl tatsächlich
deutlich schrumpft, dann wird es auch nicht möglich sein, für
gleichwertige Lebensbedingungen in der Stadt und auf dem Land zu
sorgen. Auch das gehört zur Wahrheit.

Insofern haben Demografieexperten recht, wenn sie sagen, dass wir
lernen müssen, das Schrumpfen zu organisieren. Davon ist man heute
weit entfernt. Auf dem Gipfel geht es um die Einsetzung von
Arbeitsgruppen, die bis zum Frühjahr Ergebnisse liefern sollen. Ob
diese umgesetzt werden, darf man bezweifeln. Denn dann geht es in den
Wahlkampf.

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