NRZ: Der Westen ist nicht die Welt – ein Kommentar von JAN JESSEN

Es ist gekommen, wie es wohl nach den
Eskalationskaskaden der vergangenen Wochen kommen musste. Russlands
Präsident Putin hat die völkerrechtswidrige Annexion der Krim mit
einem Federstrich besiegelt. Ein Gewaltakt, sicherlich, aber eben
einer, für den der Westen in der Vergangenheit mit der unbedachten
Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo die Legitimationsgrundlage
gelegt hat. Selbst wenn EU und USA die Sanktionsspirale jetzt weiter
anziehen, wird das an den geschaffenen Fakten nichts ändern; zumal
die bisherigen Maßnahmen des Westens einfach nur Ausdruck von
Hilflosigkeit sind. Putin weiß: Der Westen ist nicht die Welt.

Wer davon redet, dass Russland international isoliert dastehe, hat
einen Tunnelblick. Jenseits Europas und der USA ist das Interesse für
die Krimkrise verschwindend gering. Die immer intensiveren
wirtschaftlichen Beziehungen Russlands zu Ländern wie China, Indien
oder Brasilien blieben von möglichen europäischen oder
US-amerikanischen Sanktionen unberührt. In der arabischen Welt oder
in vielen afrikanischen Ländern könnte Putin sogar an Ansehen
gewinnen, wenn er auf seinem Kurs bleibt – dort sieht man den Westen
zunehmend kritisch, weil man seine Politik häufig als Bevormundung
wahrnimmt. Die Welt ist eine multipolare geworden, der Westen
verliert an Strahlkraft und Einfluss. Das ist wohl auch eine Lehre
aus der aktuellen Krise.

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