NRZ: Die Suche muss neu beginnen – Kommentar zu Gorleben von Jan Jessen

Wenn die letzten neun Kernkraftwerke in den
kommenden zehn Jahren nach und nach vom Netz gehen, wird sich
Deutschland noch lange nicht vom Atomzeitalter verabschieden können.
Der strahlende, hochgiftige Müll, der in den vergangenen fünfzig
Jahren angefallen ist, muss irgendwo in Deutschland gelagert werden.
In Gesteinsformationen eingeschlossen, so sicher, dass eine Million
Jahre lang keine Radioaktivität in die Umwelt austreten kann. Das
verlangen die aktuellen Sicherheitsanforderungen an ein atomares
Endlager. Nun ließe sich lange darüber diskutieren, wie fahrlässig
eine Gesellschaft ist, die auf eine Technologie mit solch
ewig-gefährlicher Hinterlassenschaft setzt – aber das ist müßig. Der
Atommüll lässt sich ohnehin nicht wegdiskutieren. Deutschland braucht
ein Endlager. Und das schnell. Die Zwischenlager, in denen die
Atomkonzerne derzeit die abkühlenden Brennstäbe lagern, haben nur
eine begrenzte Genehmigungsdauer. In spätestens einem
Vierteljahrhundert muss eine endgültige Lösung bereit stehen. Wie
knapp das ist, zeigt Gorleben. Seit 30 Jahren wird der Salzstock im
Wendland auf seine Eignung als Endlager untersucht, seit 30 Jahren
wird gestritten. Klar ist: Gorleben wird niemals Endlager. Zum einen,
weil der Salzstock seinerzeit nicht wegen wissenschaftlicher, sondern
nur aufgrund politischer Erwägungen auserkoren wurde. An Gorleben
konnte nach ersten Untersuchungen nur festgehalten werden, weil in
den achtziger Jahren Sicherheitsanforderungen „angepasst“, d.h.
deutlich abgeschwächt wurden. Zum anderen ist Gorleben politisch
verbrannt. Die Menschen in der Region leisten seit drei Jahrzehnten
erbitterten Widerstand; selbst die sachlichsten Argumente würden
diesen Widerstand nicht aufweichen. Gorleben ist eben auch ein Symbol
für eine hochmütige (Atom-)Politik, die über die Köpfe der Menschen
hinweg gemacht wurde. Es spricht von politischer Einsicht, wenn das
Umweltministerium die Erkundungen in Gorleben wieder aussetzt. Das
spart auch Steuergelder. Ein neuer Standort muss her. Die Suche nach
einem Endlager muss zügig beginnen, ergebnisoffen sein – und die
Menschen in den betroffenen Regionen einbinden.

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