NRZ: Die Türkei taumelt Richtung Abgrund – ein Kommentar von JAN JESSEN

Das neue Jahr hat schrecklich begonnen. Erneut hat
der Terror zugeschlagen, erneut sind ihm unschuldige Menschen zum
Opfer gefallen. Und wieder hat es die Türkei getroffen. Das Land
taumelt langsam dem Abgrund entgegen. Präsident Recep Tayyip Erdogan
scheint die Kontrolle zu verlieren. Erdogan hat sich an zu vielen
Fronten verzettelt. In der Türkei kämpft er gegen die Medien, die
linke – alevitisch geprägte – Opposition, die Anhänger des
Predigers Gülen und gegen die kurdische Autonomiebewegung im Südosten
des Landes. In Syrien verbluten türkische Soldaten bei Al Bab im
Krieg gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“, die jahrelang
zumindest durch aktives Wegsehen von Ankara unterstützt wird – und
deren Handschrift auch der Terroranschlag von Istanbul trägt. Der
türkische Präsident hat auch deshalb noch immer einen großen Rückhalt
in der Bevölkerung, weil er den Menschen Sicherheit und Wohlstand
versprochen hat – und dieses Versprechen lange einlösen konnte. Jetzt
rückt zwar die Realisierung seines großen Traums von einem
Präsidialsystem näher, in dem er zum Alleinherrscher würde;
gleichzeitig erodiert seine Machtbasis. Sicherheit gibt es nicht mehr
in der Türkei, die Wirtschaft schwächelt. Erdogan macht dafür
sinistre Kräfte im Ausland verantwortlich. Wie lange ihm die
Bevölkerung das glauben und ihm die Treue halten wird, ist ungewiss.
Genauso ungewiss ist, wie lange sich das Militär das zunehmende Chaos
anschauen wird. Bis es zum nächsten Putschversuch kommt, ist wohl nur
eine Frage der Zeit.

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