Donnerstag, 12 Uhr mittags in Deutschland. Eine
Schweigeminute lang sollte das öffentliche Leben stillstehen.
Gedenken an die Opfer des neuen Naziterrors in unserem Land. Es ist
leider keine Überraschung, aber es wollte fast niemand innehalten,
obwohl es zehnfachen Anlass zu Scham und Trauer gab. Der Alltag
rauschte meist besinnungslos weiter, als wäre nichts geschehen. In
Berlin wurde hingegen eine würdige und angemessene Gedenkstunde
inszeniert. Sie offenbarte auch, dass es einen tiefen Graben zwischen
der öffentlich zur Schau getragenen Betroffenheit der Politik und der
gesellschaftlichen Realität gibt.
Nun ist es eine wichtige Aufgabe aller demokratischen Parteien,
diese Kluft zu schließen. Deshalb darf die gestrige Trauerfeier für
die Toten der braunen Mörder nicht als der Abschluss eines dunklen
Kapitels der Nachkriegsgeschichte abgehakt werden. Vielmehr könnte
von Angela Merkels wichtiger Rede ein Aufbruchsignal an die große
Mehrheit der Bevölkerung, die Aufrechten im Lande, ausgehen. Die
Bundeskanzlerin hat um Verzeihung gebeten. Diese Geste war richtig
und notwendig. Doch dabei kann es nicht bleiben. Den Opfern kann nur
Gerechtigkeit widerfahren, wenn das Land sich ändert. Es gibt eine
weit verbreitete tumbe Mentalität, die sich an Glatzen und
Springerstiefel gewöhnt hat, die den Neonazismus nicht sehen will,
auch wenn er gerade im Osten so offensichtlich ist wie ein Gletscher
in der Wüste. So werden die braunen Mordbrenner von der Unkultur des
Wegsehens und Schweigens gedeckt.
Nach dem Terror und Brandschatzen der 1990er-Jahre in Mölln,
Hoyerswerda und Solingen bildeten sich Aktionsbündnisse gegen
Fremdenfeindlichkeit, an denen sich alle gesellschaftlichen Kräfte,
auch die Medien, beteiligten. Damals sind Bürger, Politiker und Stars
gemeinsam auf die Straße gegangen. Die Kölner Band „Bap“ prägte das
Motto: „Arsch huh, Zäng ussenander“. Hunderttausende zeigten Flagge
gegen Rechts. Und wer bekommt heute den Hintern hoch und die Zähne
auseinander, um den Neonazis die Stirn zu bieten? Worte, auch so
wohlgesetzte wie die der Kanzlerin, sind nur dann wertvoll, wenn
ihnen Taten folgen.
Es ist Zeit für ein neues breites Bündnis gegen Rassismus, damit
der liberale Rechtsstaat stolz und selbstbewusst agiert und nicht
wieder beschämt auf die Mordtaten von Terroristen reagieren muss.
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