Das ägyptische Volk hat Geschichte geschrieben. Wie
der Berliner Mauerfall markiert der Sturz des ägyptischen Despoten
Mubarak einen historischen Wendepunkt. Der Präsident ist weg; verjagt
vom eigenen Volk. Dem hat er nicht „einen letzten Dienst erwiesen“,
wie Kanzlerin Merkel kommentierte, sondern er hat sich widerwillig
einer beeindruckenden, friedlichen Revolution gebeugt. Hinter den
Kulissen gab es politische Machtkämpfe und internationale
Interventionen, insbesondere der USA; doch nicht sie haben Mubarak
besiegt, sondern der überwältigende Ruf der Bürger nach mehr
Demokratie und Menschenrechten. Schon lange war der „Pharao“ am Ende.
Aber wie viele Diktatoren wollte er den eigenen Untergang nicht
wahrhaben. Vorgestern klammerte er sich noch verzweifelt an die
Macht, deshalb war sein Rücktritt eine Überraschung. Ein
mitreißender, beispielloser Freudentaumel zeigt nun der ganzen Welt,
wie groß die Sehnsucht der Menschen in Arabien nach Freiheit ist. Die
Macht hat eine Militärjunta übernommen. Dazu gab es keine
Alternative; denn nach der 30-jährigen Mubarak-Herrschaft gibt es
keine organisierte politische Opposition, die von heute auf morgen
regieren könnte. Nun kommt es darauf an, ob die Generäle ihr
Versprechen wahr machen und demokratische Wahlen vorbereiten. Sie
halten alle Mittel in der Hand, die Freiheit weiter zu unterdrücken.
Doch darauf deutet zurzeit nichts hin. In den entscheidenden Tagen
der Massenproteste stand die Armee auf der Seite des Volkes und wird
nun keinen Bürgerkrieg riskieren. Ägypten braucht
verantwortungsbewusste Politiker, die das Land auf den historischen
Weg zur Demokratie führen können. Mubaraks Vizepräsident Suleiman
kommt für diese Aufgabe nicht in Frage. Auch wenn westliche
Regierungen den Ex-Geheimdienstchef loben, ist er in seinem Volk als
„der Folterer“ verschrien. Viele Hoffnungen ruhen auf dem ägyptischen
Friedensnobel-Preisträger El Baradei, der in der ganzen Welt einen
guten Ruf genießt. „Frieden“ war das Motto der Revolutionäre in
Kairo. Auf dem Tahrir-Platz wurde diese Losung lebendig: Muslime und
Christen demonstrierten Hand in Hand als solidarische Bürger.
„Frieden“ muss das Ziel für den nahen Osten bleiben. Die Zukunft
Israels hängt auch von einem stabilen Nachbarstaat Ägypten ab.
Unbegründet ist die Furcht vor einer islamischen Revolution gewesen.
Die Demonstranten haben auch gegen eine traditionelle,
patriarchalische Gesellschaft gekämpft und werden ihren historischen
Sieg weder den Muslimbrüdern, noch der Hamas opfern. Im Gegenteil:
Die jungen Revolutionäre wollen ein besseres Leben und
Meinungsfreiheit. Von ihnen kann auch der Westen viel lernen. Zum
Beispiel, dass man Demokratie nicht mit Flugzeugträgern exportiert,
sondern mit den Mitteln moderner Medien: Zeitungen, TV, Internet. Nun
beginnt in der islamischen Welt eine neue Epoche. Von Marokko bis
Jemen fürchten die Potentaten Arabiens um ihre Macht. Im Orient hat
die Despotendämmerung begonnen. Endlich.
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