NRZ: Reden – ohne Schaum vorm Mund – ein Kommentar von CHRISTIAN PETERS

Manchmal, in diesen hektischen Tagen, könnte der
neutrale Beobachter zu dem Eindruck gelangen, im Streit um das hoch
verschuldete Griechenland gehe es nicht um ein Problem Europas,
sondern nur um eine Konfrontation der Regierungen in Athen und
Berlin. Da fliegen die Giftpfeile hin und her, persönliche
Beleidigungen und Stinkefinger machen internationale Schlagzeilen und
eigentlich – würde man am liebsten gar nicht mehr miteinander reden.
Dabei ist zurzeit nichts notwendiger, als genau das zu tun. Auch
deshalb ist die Einladung der Kanzlerin an Ministerpräsident Tsipras
nur folgerichtig. Aber festzuhalten bleibt auch: Die ganze
Angelegenheit ist ziemlich verfahren.

Dass ausgerechnet jetzt das so moralisch belastete Thema deutscher
Reparationszahlungen wieder hochschwappt, sorgt für zusätzlichen
Zündstoff. Ja: Athen billigte 1990 den deutschen Einigungsvertrag
2+4, in dem auch das Thema Reparationen für abgeschlossen erklärt
wurde. Formal. Denn nur 5 Jahre später und auch danach immer wieder
machten die Griechen deutlich, dass man die Ansprüche ganz und gar
nicht aufgegeben hat. Dass die linksradikale Regierung in Athen die
Forderung an die Deutschen jetzt kurz vor der Pleite wie ein As aus
dem Ärmel zieht, hat natürlich einen etwas erpresserischen
Beigeschmack. Dennoch darf man in Berlin nach dem, was die
Nazi-Mörder in Hellas angerichtet haben, Gespräche nicht einfach
verweigern. Wie anfangs gesagt, miteinander reden hilft. Ohne Schaum
vor dem Mund – auf beiden Seiten.

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