NRZ: Schlichte Antworten des Westens – ein Kommentar von KNUT PRIES

Nicht alle Moskauer Argumente in der Krim-Krise sind
völlig haltlos. Die Verschärfung der Auseinandersetzung ist
überwiegend, aber nicht ausschließlich der russischen Führung und
ihren ukrainischen Handlangern anzulasten. Keine Frage: Die
Abstimmung war als Verfahren rechtswidrig: ohne Beteiligung der
Zentralgewalt in Kiew, unter massivem militärischem Druck der Russen.

In der Substanz sieht die Sache indes anders aus: Auch eine
Abstimmung unter fairen Bedingungen hätte eine klare Mehrheit pro
Russland erbracht. Das Selbstbestimmungsrecht dieser Mehrheit
legitimiert in keiner Weise die Abspaltung, wie sie sich jetzt
vollzieht. Aber die Antwort des Westens auf das Problem der kulturell
gespaltenen Ukraine ist allzu schlicht: Bloß keine neuen Grenzen!,
lautet die Devise. Als ob dies Prinzip nicht nach dem Krieg immer
wieder verletzt worden wäre: Saarland, Tschechoslowakei, Jugoslawien.
Derzeit drängt es Schotten, Katalanen und Flamen aus ihrem
staatlichen Gehäuse. Man kann nicht solche Bestrebungen als
unerfreulich, aber legitim behandeln, solange sie im Westen des
Kontinents stattfinden, sie im Osten hingegen zum Tabu erklären.

Auf die kulturelle Doppelgestalt der Ukraine hat der Westen
bislang nur eine Antwort gehabt: Es sei doch für die Ukrainer, auch
auf der Krim und im Osten, viel besser, wenn sie ihre Zukunft in
Anlehnung an den Westen suchten. Das wird so sein, ändert aber nichts
daran, dass es die freie Entscheidung der Ukrainer bleiben muss,
wohin sie sich wenden.

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