Manche Erkenntnisse im politischen Raum sind
verblüffend schlicht; dazu gehört jene, dass im Gesundheitssektor
Klasse besser als Masse ist. In den vergangenen Jahren haben Studien
immer wieder eine Fehlentwicklung aufgezeigt, die durch die aktuelle
Finanzierungssystematik des Krankenhauswesens nahezu zwangsläufig
ist: Die notorisch unterfinanzierten Hospitäler erhalten für jede
Operation einen Pauschalbetrag. Sie müssen also ihre Fallzahlen
steigern, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Die logische Folge: Allzu oft
werden Operationen durchgeführt, deren medizinische Notwendigkeit
zumindest zweifelhaft ist. Die Finanzierung der Krankenhäuser führt
also dazu, dass manche Patienten völlig unnötig Eingriffen unterzogen
werden, die durchaus lebensgefährlich sein können, etwa wenn die
Operationen kompliziert und die Operierten alt sind. Zugespitzt hat
sich die Situation, weil immer mehr Chefärzte vertraglich
Bonuszahlungen zugesichert bekommen – je mehr Operationen
durchgeführt werden, desto mehr Geld gibt es. Dass die
Gesundheitspolitiker von Union und SPD diese Fehlentwicklung
korrigieren und anstatt Quantität künftig Qualität honorieren wollen,
ist vernünftig. Stellt sich nur die Frage: Warum hat es so lange
gedauert, bis man sich in Berlin dieses Themas angenommen hat? Dass
Anreize aus der Fließband-Produktion das Gesundheitswesen
deformieren, hätte schon viel früher auffallen können und müssen.
Pressekontakt:
Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion
Telefon: 0201/8042616
Weitere Informationen unter:
http://