Es hat lang, viel zu lange gedauert, bis die Türkei
sich entschieden hat, gegen den sogenannten „Islamischem Staat“
offensiv vorzugehen. So lange, dass der Verdacht naheliegt, die
Luftschläge gegen Stellungen der Terror-Organisation dienten vor
allem der Beruhigung der Nato-Partner; es ist wohl kein Zufall, dass
Präsident Erdogan vor den Angriffen mit US-Präsident Obama
telefonierte. Ob es die Türkei ernst mit dem Kampf gegen die
Terrormiliz meint, wird sich erst zeigen, wenn sie sich glaubhaft
bemüht, die Grenze nach Syrien für den Dschihad-Tourismus zu
schließen. Dennoch: Die Luftschläge und die Gestattung der Nutzung
des türkischen Luftwaffenstützpunktes Incirlik für US-Kampfeinsätze
sind nach den Jahren des Wegschauens und der klammheimlichen
Unterstützung für die IS-Terroristen richtige und mutige Maßnahmen.
Zumal die Türkei damit ein große innenpolitisches Risiko eingeht: Im
Land gibt es Tausende IS-Sympathisanten, die auf Befehl ihres Führers
al-Bagdadi zuschlagen könnten, sie sind eine ernste Bedrohung für
die innere Sicherheit; auch, weil Ankara so lange beide Augen
zugedrückt hat. Die Razzien, bei denen gestern Hunderte Menschen
festgenommen wurden, waren aber eben keinesfalls nur eine Kampfansage
an die Dschihadisten, sondern auch eine an linksextremistische
Gruppen, vor allem aber an die kurdischen PKK-Freischärler. Dieser
Schuss kann nach hinten losgehen: Die türkische Regierung würde einen
Fehler machen, wenn sie den Kampf gegen den IS als Deckmantel für den
Krieg gegen kurdische Autonomiebestrebungen nutzt, ob in der Türkei
oder in Syrien. Und Fehler hat Ankara schon mehr als genug gemacht.
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