Ostsee-Zeitung: Der peinliche Präsident – Kommentar zur Causa Wulff

Fremdschämen – dieses Wort fällt seit Wochen immer
wieder, wenn im Familien-, Freundes- oder Kollegenkreis von Christian
Wulff die Rede ist. Kaum jemand, der des Themas nicht längst
überdrüssig wäre, aber es nützt ja nichts: Jenes unangenehme Gefühl
von Peinlichkeit, das uns auf Distanz gehen lässt, wenn sich jemand
in unserer Gegenwart unangemessen benimmt, gilt schließlich dem
höchsten Repräsentanten unseres Gemeinwesens, dem Staatsoberhaupt
mithin, dem Bundespräsidenten höchstselbst. Das kann nicht angehen,
denken viele, die vom Glauben an die Politik noch nicht ganz
abgefallen sind. Peinlich war schon das öffentliche TV-Verhör nach
dem präsidialen Anruf bei der Bild-Zeitung. Peinlich auch die
Salamitaktik im Umgang mit der Wahrheit, all die unglaublichen
Einlassungen zu heimlichen Ugrades, geliehenen Kleidern und
Amigo-Ferien. Und in welchem Licht erscheint der Rauswurf des
langjährigen Wulff-Intimus– und Strippenziehers Glaeseker, gegen den
nun – wer hätte es gedacht – im Zusammenhang mit einer großen
Lobby-Veranstaltung wegen Bestechlichkeit ermittelt wird? Die
niedersächsische SPD will den Präsidenten wegen Täuschung des
Parlaments verklagen. Der Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel nennt
ihn bereits einen „Lügner“. Trotz all dieser Peinlichkeiten denkt der
Präsident nicht an Rücktritt. Er habe sich entschuldigt, sagt er und
vergisst, dass dies unmöglich ist. Um Entschuldigung kann man nur
bitten. „Würde ist die konjunktive Form von dem, was einer ist“,
spottete einst der österreichische Publizist Karl Kraus. Und Wulff
ist derzeit ein Präsident, den drei Viertel der Bürger nicht für
ehrlich halten. Auch das tut weh.

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Ostsee-Zeitung
Jan-Peter Schröder
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