Ostsee-Zeitung: Kommentar zu Gaddafis Ende

Mancher mag bedauern, dass der libysche
Langzeit-Despot nicht doch noch vor einem Gericht landete – sei es
vor einem einheimischen, wie Saddam Hussein, oder vor einem
internationalen, wie Mladic und Milosevic. Andere werden vielleicht
eher ganz froh sein, dass der exzentrische Ölprinz nicht mehr vor der
Weltöffentlichkeit erzählen konnte, mit wem er so gute Geschäfte
machte, wer ihm so schöne Waffen verkaufte und wem er alles für viel
Geld die afrikanischen Flüchtlinge vom Leib halten sollte. Spannender
aber wird sein, wie es nun weitergehen wird. Der Übergangsrat hat
schon fleißig Geschäfte rund ums begehrte schwarze Gold angebahnt,
die vor allem seine Unterstützer beim Sturz Gaddafis bedenken – die
zufällig auch jene sind, die Gaddafi eben noch wie Tony Blair im
Beduinenzelt „die Hand der Freundschaft“ reichten, ihn wie Nicolas
Sarkozy das berühmt-berüchtigte Zelt sogar im Garten des Pariser
Hôtels de Marigny aufschlagen ließen, mit ihm Geschäfte in
zweistelliger Milliardenhöhe abschlossen oder ihm am Ende wie
Bunga-Kumpel Berlusconi höchstpersönlich noch zum „ehrenvollen“ Gang
ins Exil verhelfen wollten. Auch im Kreml-Komplex durfte Gaddafi
übrigens zelten – nur nie in Berlin, trotz Einladung aus Schröders
Zeiten. Dass wieder Geld ins Land kommt, scheint bei so flexiblen
Geschäftspartnern also ziemlich sicher. Was aber fängt es damit an?
Kann der Übergangsrat die inzwischen gut gerüsteten ehemaligen
Rebellen entwaffnen und wie verheißen einen demokratischen Umbruch
einleiten? Wird er Versöhnung zwischen den Stämmen organisieren? Den
Westen würde das gewiss freuen. Hauptsache aber wäre für ihn
vermutlich, dass die Geschäfte weitergehen. Mit dem Öl, mit den
Waffen, mit dem Flüchtlingsstopp. Nur ohne Beduinenzelt.

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