„Die Lage ist ernst!“ Mit diesem so kurzen wie
markigen Satz beschrieb der Brüsseler Energiekommissar Günther
Oettinger in dieser Woche die Gefahr einer Eskalation im
russisch-ukrainischen Gasstreit. EU-Europa wäre direkt betroffen:
Denn nicht weniger als die Hälfte der russischen Gaslieferungen
werden über das Pipelinenetz der Ukraine gepumpt. Sechs
Mitgliedsstaaten sind sogar zu 100 Prozent von Gazprom abhängig. Und
die Jamal-Röhre über Weißrussland sowie die Ostseepipeline werden
einen Komplettausfall der Ukraine-Leitungen nicht kompensieren
können. Brüssel, so Oettinger, bereitet sich inzwischen auf
sogenannte Worst-Case-Szenarien vor – also auf den absoluten
Ernstfall. Ist die Lage wirklich so ernst? Wer diese Frage sachlich
beantworten will, muss nicht nur mit einer Unbekannten rechnen, die
die meisten im Moskauer Kreml verorten. Er muss genauso nach Kiew
schauen, wo die Nerven blank liegen. Moskau hat dem de
bankrotten Nachbarland den Gashahn abgedreht, seitdem dieses keine
Rechnungen mehr begleicht. Kiew muss bereits ohne warmes Wasser
auskommen. Dennoch zahlt die Regierung nicht, weil es die russischen
Preise für überhöht und politisch motiviert hält. Brüssel hat es
nicht vermocht, den Streit beizulegen. Und nach der Ingangsetzung der
Sanktionsspirale sind die Chancen dafür nicht gut. Die ukrainischen
Gasspeicher sind aber nur noch halbvoll und der Winter naht. Spitzt
sich die Lage auch noch an den ostukrainischen Fronten zu, könnte
Kiew zum Äußersten greifen – nämlich Gas, das für Europa bestimmt
ist, aus den Transit-Pipelines zu stehlen. Selbst Oettinger schließt
das nicht mehr aus. Schlimmer noch: Premier Jazenjuk drohte damit,
den Gasdurchfluss in die EU komplett zu stoppen. Kurz zuvor
explodierte eine Pipeline nahe Kiew. Täter unbekannt. Klar ist
seitdem nur, dass die Lage tatsächlich ernst ist, dass die EU Geisel
eines unberechenbaren Rohstoff-Konflikts ist und drittes Mitglied
einer bizarren Runde. Und die spielt Russisch Roulette.
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