Ostsee-Zeitung: Kommentar zur Vorratsdatenspeicherung

Nach dem gestern veröffentlichten Gutachten des
Europäischen Gerichtshofs ist die Zukunft der anlasslosen
Datenspeicherung in der EU offen. Die derzeit geltende Richtlinie
verstößt offenbar eindeutig gegen europäische Grundrechte. Das kommt
wenig überraschend, hatte doch bereits das Bundesverfassungsgericht
ähnlich entschieden. Die Richter in Luxemburg werden nun im nächsten
Jahr abschließend darüber befinden. Es spricht viel dafür, dass sie
dem Gutachten folgen. In Deutschland gibt es jetzt zwei politisch
Beschädigte: Da ist die Kanzlerin, die die Vorratsdatenspeicherung im
Koalitionsvertrag prominent platziert hat und gerade erst vollmundig
die schnelle Umsetzung der EU-Richtlinie ankündigte. Und da ist die
SPD, die in Datenschutzfragen seit Monaten ohnehin einen
hochnotpeinlichen Schlingerkurs fährt: Erst war man gegen die
Vorratsdatenspeicherung, nun ist man um des Regierens Willen
plötzlich dafür. Sachlich gesehen gilt: Die Vorratsdatenspeicherung
könnte im Einzelfall zu Aufklärung schwerer Verbrechen führen. Doch
ihr Einsatz bleibt unverhältnismäßig, ihre technische Ausstattung ist
unangemessen. Man kann ein Volk nicht unter Generalverdacht stellen,
um einzelne Kriminelle zu fassen. Und man kann nicht ernsthaft
massenhaft Daten in Zeiten speichern, in denen grundsätzliche Fragen
des Datenschutzes ungeklärt sind. Die Vorratsdatenspeicherung bleibt
ein Beispiel dafür, den Bürger im Kleinen beschützen zu wollen, ihn
im Großen aber seiner Freiheit zu berauben.

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Jan-Peter Schröder
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