Ostthüringer Zeitung: Jörg Riebartsch kommentiert: Spaltpilz Biermann

Nicht jeder erfuhr in der DDR den intellektuellen
Luxus einer Kabarettistin wie Eva-Maria Fastenau, die seit
Jahrzehnten in Gera lebt und arbeitet. In der Nische des Frechen in
einem Land, in dem selbst Büttenreden im Karneval von den selbst
ernannten Saubermännern des Sozialismus akribisch auf staatsferne
Wortakrobatik geprüft wurden, waren Intellektuelle allgemein sonst
verhasst. Und wer sich nicht einschüchtern ließ und es verstand
Öffentlichkeit herzustellen, der flog raus; zum Beispiel der
Liedermacher Wolf Biermann.

Der ist sich treu geblieben und Bundespräsident Norbert Lammert
muss gewusst haben, dass er sich mit dem Streiter einen Spalter und
nicht einen Versöhner in den Bundestag zur Feier des Mauerfalls
einlädt. Und natürlich hat Biermann die Gunst der Stunde genutzt, die
Fraktion der Linken als den elenden Rest eines von ihm verhassten
Staates zu geißeln.

So sehr es auch der überwiegenden politischen Mehrheit Spaß machen
mag, die Linken mit ihrer ererbten politischen Last der SED zu
provozieren und zu verhöhnen. Der Fall der Mauer war ein anderes
Signal und verdiente nachdenklichere Worte als die pure Lust an
nachtragender Rache.

Beim Fall der Mauer ging es um die Erfüllung der Sehnsucht nach
Freiheit bei den DDR-Bürgern, ging es um die Überwindung von
todbringenden Grenzen – nicht um Spaltung, Trennung oder Teilung.

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