Ostthüringer Zeitung: Kommentar von Jörg Riebartsch „Sprung auf, marsch, marsch“ zu Bundeswehr und Familienfreundlichkeit

„Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“
Zum Beispiel weil Frau Stabsgefreite gerade Babypause hat oder Herr
Feldwebel momentan die Kleinen aus dem Hort abholt. So wird es also
nicht gedacht sein und auf diesem Feldzug bleibt der zitierte Spruch
des amerikanischen Schriftstellers Carl Sandburg – oft falsch Bert
Brecht zugeschrieben – ein Wunschtraum von Pazifisten. Deutschlands
neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eckt mit ihrer Idee
der familienfreundlichen Truppe an. Auch der tiefere Blick wirft
nicht unbedingt ein milderes Licht auf gedankliche Ansätze, die
Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Das wird nämlich
nur in der heimischen Kaserne funktionieren – aber da steht sich die
Bundeswehr mit ihrer Reform selbst im Weg. Weniger Standorte, weniger
Kasernen bedeutet auch weniger heimatnahe Arbeitsplätze. Auch werden
Offiziere und Anwärter nur ungern im Beförderungsstau ersticken
wollen, wenn die Ministerin ihre Ankündigung wahr macht, weniger
Versetzungen aussprechen zu lassen. Diese haben es aber in der
Vergangenheit erst ermöglicht, Dienstrang um Dienstrang nach oben zu
klettern. Im Grunde müssten dann bei der Armee sogar die auf
Einheiten und Truppenteile bezogenen Planstellen abgeschafft werden.
Wer soll daran glauben? Ohnehin gibt es durch die Verkleinerung der
Truppe und den Um- sowie Abbau von Dienststellen weniger offene
Beförderungswege. Melde, Frau Ministerin, das klingt nach unklarer
Gefechtslage. Sprung auf, marsch, marsch. Viele Soldaten werden genau
beobachten, ob von der Leyen im Schlamm stecken bleibt oder
tatsächlich den Orientierungslauf zur familiären Truppe erfolgreich
zu Ende bringt. Es darf auch nicht ablenken davon, dass Soldaten in
der Mehrheit andere Probleme beim Wehrbeauftragten beklagen:
Ungenügende Ausrüstung oder miserable Unterbringung im Einsatz und
mangelnde Transparenz bei den Reformvorgaben für die Waffengattungen.

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