Ostthüringer Zeitung: Wolfgang Schütze kommentiert: Umfrage zum 9. November

Wenn rund ein Viertel der befragten Deutschen nicht
weiß, dass am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, dann ist das
eine schwache Leistung. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass
inzwischen eine Generation herangewachsen ist, die dieses wunderbare
Ereignis nicht selbst erlebt hat – fragt man sich schon: Was lernen
die eigentlich in der Schule? Und was behalten sie davon?

Es gibt Daten aus der Geschichte, die sollte man einfach wissen.
Eine Frage der Ehre, sozusagen. Zumal der 9. November ein wahrhaft
deutsches Datum ist, denn im vorigen Jahrhundert gab es eben nicht
nur den herrlichen Tag, als die innerdeutsche Grenze in Berlin fiel.
51 Jahre zuvor brannten Nationalsozialisten jüdische Geschäfte und
Kirchen nieder, oft begleitet von einer johlenden Menge, die
hinterher, nach dem Krieg, von solchen öffentlichen Gräueln nichts
gewusst haben wollte.

Die Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur in Berlin sieht in den Ergebnissen der Umfrage „noch
Potenziale“. Da kann man ihr nicht widersprechen. Zum Beispiel
sollten die Bundeszentrale für politische Bildung und ihre Ableger in
den Ländern sich selbstkritisch fragen, wie effizient ihr Einsatz
von Geld und Kraft denn wirklich ist. Erreichen solche und weitere
Institutionen tatsächlich jene, denen Erkenntnis gut täte, oder
kommen zu den Veranstaltungen eh nur diejenigen, deren Licht im Kopf
schon hell leuchtet? Die Behauptung – Ohne uns wäre das alles ja
noch viel schlimmer – mag stimmen und das Dasein retten.
Wissenslücken jedoch schließt sie nicht.

Für jeweils elf Prozent der Befragten war die friedliche
Revolution „eher nicht“ oder gar kein Glücksfall. Die Werte sind in
Ost und West nahezu gleich. Rechnet man das auf die Bundesrepublik
hoch, sind das über 16 Millionen Menschen. Vielleicht bekommen sie
alle am 9. November eine Zeitmaschine, die nicht nur die Zustände
vor 1989 wieder herstellt, sondern auch zeigt, was aus Gelsenkirchen
und Gera seitdem geworden wäre.

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