Basel IV: Baseler Ausschuss für
Bankenaufsicht veröffentlicht neue Regelungen zur Berechnung von
risikogewichteten Aktiva (Risk-Weighted Assets, RWA) /
Standardisierte Ansätze sind risikosensitiver geworden / Mehr
Einschränkungen für interne Modelle / Hoher Capital Floor von 72,5
Prozent / PwC-Experte Martin Neisen: „Trotz einer deutlichen
Entschärfung der neuen Regelungen im Vergleich zu den Entwürfen,
müssen einzelne europäische und deutsche Banken mit einer deutlichen
Erhöhung der RWA von 10-15% rechnen.“
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat das überarbeitete
Rahmenwerk zur Berechnung von risikogewichteten Aktiva und Capital
Floors vorgestellt. Die standardisierten Ansätze sind
risikosensitiver geworden, während die Verwendung interner Modelle
mehr Einschränkungen unterliegt. Zusammen mit bereits im letzten Jahr
beschlossenen Regeländerungen beziehen sich die Änderungen bei der
RWA-Berechnung auf alle Risikoarten der Säule 1 und betreffen somit
sämtliche Banken – unabhängig von ihrer Größe, ihrem Geschäftsmodell
und der Verwendung standardisierter oder fortgeschrittener Ansätze
für die aufsichtsrechtliche Eigenkapitalberechnung. Eines der
kontroversesten diskutierten Elemente des Reformpakets ist die
Einführung eines hohen Capital Floors von 72,5% bei internen
RWA-Modellen.
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht verfolgt gleich mehrere
Ziele mit den neuen Regeln. Zum einen soll das Vertrauen in
sogenannte interne Modelle erhöht werden, zum anderen werden
insbesondere die Standardverfahren deutlich risikosensitiver und so
angepasst, dass den Veränderungen der Kapital- und Kreditmärkte der
letzten Jahre Rechnung getragen wird. Bei den sogenannten
Operationellen Risiken dürfen keine interne Modelle mehr verwendet
werden und es wird ein einheitlicher Standard für alle Banken
eingeführt. Eine Einigung bei der Überarbeitung der Regeln für
Kredite an Staaten konnte nicht erzielt werden.
Auswirkungen auf Unternehmensstrategie und Geschäftsmodelle der
Banken
Obwohl die finalen Regelungen im Vergleich zu den ursprünglichen
Entwürfen stark entschärft wurden, müssen insbesondere einige
europäische und auch deutsche Institute mit deutlichen Erhöhungen
ihrer RWA und somit mit niedrigeren Kapitalquoten rechnen. Die
Änderungen wirken sich jedoch sehr individuell aus. Während einige
Institute mit einer Erhöhung von bis zu 10-15% rechnen müssen,
profitieren andere Banken sogar von den Neuerungen. Das tatsächliche
Ausmaß hängt stark von den bestehenden Geschäftsmodellen ab und von
der Frage, inwieweit interne Modelle zur Messung der Risiken in der
Vergangenheit herangezogen wurden.
„Die geplanten Änderungen werden dazu führen, dass die Banken die
Eigenkapitalanforderungen in ihren Geschäftsbereichen überprüfen und
gegebenenfalls ihre Produkt- und Preisgestaltung anpassen müssen. Das
überarbeitete Rahmenwerk wird sich daher auf die
Unternehmensstrategie und die Geschäftsmodelle der Banken auswirken.
Der Baseler Ausschuss rechnet mit einer gewissen Kapitalumverteilung
im Finanzsystem“, sagt Martin Neisen, Global Basel IV Leader und
Partner bei PwC Deutschland. „Im Fokus der größeren Banken dürften
die festgelegten Capital Floors stehen. Einige Banken werden vor
allem darüber nachdenken müssen, wie sie ihre Infrastruktur und die
verwendeten Technologien verbessern können, um die Menge der Daten
und deren Granularität bewältigen zu können. Diese sind angesichts
der nun komplexeren standardisierten Ansätze gestiegen.“
Banken sollten trotz langer Fristen jetzt handeln
Das Reformpaket wird ab 2020 stufenweise bis 2027 eingeführt. Auch
der bereits 2016 verabschiedete neue Standard für Marktpreisrisiken
wird auf 2022 verschoben, so dass alle Neuerungen in einem „Big Bang“
eingeführt werden. Dies ermöglicht es den Banken, die
Kapitalauswirkungen, die aus den neuen Anforderungen entstehen,
besser steuern und bewältigen zu können. Zudem sind die nationalen
und europäischen Gesetzgeber gefragt, um das Basel IV-Paket in
nationales bzw. europäisches Recht zu überführen und entsprechende
Umsetzungsfristen festzulegen.
Die neuen Regeln werden auch auf andere Unternehmen der
Finanzbranche Auswirkungen haben. Erhöhen sich die Kapitalkosten für
einzelne Geschäfte bei den Banken, wird sich dies in den Zinsen und
Provisionen widerspiegeln. Konkurrenten der Banken wie zum Beispiel
Versicherungen, Hedgefonds oder FinTechs stehen bereits in den
Startlöchern um Geschäfte zu übernehmen, die aufgrund der neuen
Regeln für Banken unattraktiv werden.
„Auch wenn der Zeitpunkt für die Umsetzung des Reformpakets
scheinbar noch in weiter Ferne liegt, müssen alle Banken jetzt
handeln“, sagt Martin Neisen. „Mit der Entscheidung des Baseler
Komitees hat die Bankenbranche nun endlich Klarheit bekommen. Aber es
ist offensichtlich, dass die Banken viel Zeit, Aufwand und
beträchtliche Ressourcen benötigen werden, um die Auswirkungen der
Reformen zu verstehen, umzusetzen und zu bewältigen.“
Angesichts des Ausmaßes der Änderungen werden die heute
veröffentlichten Reformen zusammen mit den vorangegangenen
Veröffentlichungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, die
neben einer Änderung der Berechnung der risikogewichteten Aktiva
(RWAs) auch den im Januar 2016 veröffentlichten überarbeiteten
Markrisikorahmen umfassen, gemeinhin als „Basel IV“ bezeichnet.
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Attila Rosenbaum
PwC Communications
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