Rheinische Post: Auschwitz-Urteil rechtlich vertretbar Kommentar Von Reinhold Michels

Bitte nicht wieder das Gossenthema! So flehte
Joachim Fests Vater jedes Mal, wenn sich sein großer Sohn
publizistisch-historisch mit der deutschen Höllenfahrt schlechthin
befasste. Die Hauptchiffre für diesen unfassbaren Absturz eines
Kulturvolks ins Barbarische heißt „Auschwitz“. Gut 8.000 Personen
taten dort Dienst, viele als entmenschte Sadisten und Mörder, andere
– dazu gehörte der nun verurteilte SS-Mann Oskar Gröning – als
Hilfspersonal mit NS-Gesinnung, als Assistenten des Abscheulichen.
Gröning erweckte vor Gericht wenigstens den Eindruck, als trage er
Spuren des Erschreckens vor dem eigenen moralischen Abstieg in sich.
Vielleicht war es auch bloß Prozess-Taktik, die auf ein mildes Urteil
setzte. Das gab es nicht, auch wenn überschießende Reaktionen eine
härtere Bestrafung bis hin zu lebenslang für gerecht hielten.
Lebenslang wäre unangemessen gewesen, denn ein Täter war Gröning eben
nicht. Um seine Gehilfen-Eigenschaft festzustellen, bedurfte es gar
strafrechtlicher Dehnübungen. Sie sind juristisch vertretbar und auch
rechtspolitisch notwendig. Wer in Auschwitz, in welcher Funktion auch
immer, mitgemacht hat, darf nicht auf Nachsicht zählen, auch nicht
bei Gericht.

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