Die Bilder ähneln sich. So wie 1981, als mit
François Mitterrand zum ersten Mal ein Sozialist in den Élysée-Palast
einzog, jubeln die Anhänger der Linken nun auch 2012 wieder
frenetisch, nachdem François Hollande nach 17 Jahren Macht-Abstinenz
der Sozialisten das gleiche Kunststück gelungen ist. In Frankreich
sind noch mehr als in anderen Ländern Siege der Linken von großen
Emotionen, Erwartungen und Visionen begleitet. Doch diesmal geht es
nicht nur um die Kluft zwischen Arm und Reich, die zu überwinden ist.
Auf der Anklagebank sitzt vor allem die verhasste Spar- und
Konsolidierungspolitik, die das Duo Merkel / Sarkozy den europäischen
Staaten in mühseliger Kleinarbeit verpasst hat, um die gemeinsame
Währung zu retten. Nimmt man die dramatische Abstimmung in
Griechenland hinzu, wo die radikale Linke die einst mit absoluter
Mehrheit regierenden Sozialisten überholt hat, werden die neuen
Konturen sichtbar, die nun Europa beherrschen. Der strikte Sparkurs
ist passé. Wachstum ist der Schlüssel für die Überwindung der Krise,
koste es, was es wolle. Auch Kanzlerin Merkel betont in letzter Zeit
auffallend die Bedeutung des Wachstums für die Gesundung Europas. Der
Wahlsieg Hollandes wird die Richtung in der Wirtschaftspolitik also
definitiv verschieben. Was ist daran so schlimm, wird man denken.
Denn dass eine wachsende Wirtschaft die Probleme der Verschuldung
besser löst als eine reine Sparpolitik, leuchtet auch Nicht-Ökonomen
unmittelbar ein. Doch ein solches Wachstum ist nur nachhaltig, wenn
Staat und Banken entschuldet sind, die Unternehmen ihre Kosten im
Griff haben und mit neuen Produkten und Verfahren auf die Weltmärkte
gehen. Dazu gehören eine gut ausgebildete Arbeiterschaft, ein
flexibler Arbeitsmarkt und eine leistungsbereite Mittelschicht, die
an die Zukunft glaubt. An alles das denken die neuen Kräfte in Europa
weniger, auch der eher nachdenkliche Hollande. Er will – wie die
Linke in Griechenland – Wachstum durch höhere Ausgaben des Staates.
Das von ihm geplante Programm – die Einstellung neuer Lehrer, der
Verzicht auf Personalabbau und die Rücknahme sozialer Kürzungen –
schlägt sich im Etat mit 20 Milliarden Euro nieder. Und das in einem
Land, das eine Staatsverschuldung von fast 90 Prozent der jährlichen
Wirtschaftsleistung und einen Staatsanteil von 56 Prozent hat, den
höchsten in Europa. Und Hollandes Vision geht weiter. Er möchte
Europa für den neuen Kurs gewinnen. Statt des Abbaus der
Überschuldung würden überall erst einmal neue Milliarden an
Verbindlichkeiten aufgetürmt – mit allen negativen Folgen für die
Kreditwürdigkeit des Kontinents und seiner Währung. Hollande ist
nicht der Typ, der nach der Wahl ein ganz anderes Programm
durchführt, als er vor der Wahl angekündigt hat. Und er bringt das
Gewicht Frankreichs in Spiel. Europa steht vor schweren Zeiten.
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