Rheinische Post: Einfühlsamer Gauck = Von Matthias Beermann

Das deutsch-tschechische Verhältnis mag heute
so gut sein wie noch nie in der Geschichte, es bleibt dennoch
kompliziert. Da ist die Last der Geschichte, aber auch politischer
Streit aus der jüngeren Zeit. Joachim Gauck hat versucht, beidem
gerecht zu werden, und das ist ihm gelungen. Als erster hoher
deutscher Amtsträger hat Gauck die Orte besucht, an denen die
deutschen Besatzer während des Krieges schreckliche Massaker
verübten, und er hat einfühlsame Worte für die Nachkommen der Opfer
gefunden. Das Leid deutscher Vertriebener wollte Gauck gegen die
Nazi-Gräuel nicht aufrechnen, aber er hat das Schicksal der
Sudetendeutschen auch nicht einfach aus falscher Rücksicht auf seine
Gastgeber unter den Teppich gekehrt. Das ist glaubwürdig, keine
wohlfeile Betroffenheitsbekundung. Man darf Gaucks Besuch als Erfolg
werten. Das ist wichtig, weil Tschechien ein wichtiges Nachbarland
ist, ökonomisch wie politisch. Zuletzt hatte es einige
Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Prag gegeben. Die
wurden erneut deutlich, als der Europa-Freund Gauck auf den dezidiert
europakritischen Amtskollegen Václav Klaus traf. Aber die beiden
haben nicht den Fehler begangen, sich über das Kleinklein der
Tagespolitik zu streiten. Gut so.

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