Rheinische Post: Europas Sinnkrise

Ein Kommentar von Matthias Beermann:

Nun saßen sie also wieder zusammen in Brüssel, die europäischen
Staats- und Regierungschefs, und haben sich die Nacht um die Ohren
geschlagen. Es wurde gefeilscht wie immer, aber diesmal war es
anders. Es ging um den Euro, nicht um die Festlegung von Milchquoten.
Die Krise der Gemeinschaftswährung ist gefährlich, und doch offenbart
sie nur eine noch viel gefährlichere Sinnkrise der EU. Als der Euro
vor 20 Jahren beschlossen wurde, taten seine Väter so, als würde der
Währungsunion selbstverständlich die Politische Union folgen. Es kam
anders. Wirtschaftlich hat sich der Euro als weltweit erste
supranationale Währung glänzend bewährt; politisch erweist er sich
zunehmend als Dynamit. Dauerhaft ließe sich die Euro-Krise nur
entschärfen, wenn auch die Sinnfrage der EU beantwortet wird: Soll
aus dem Staatenbund eine Föderation werden? Der politische Wille zu
diesem Schritt, der das Ende der Nationalstaaten bedeuten würde, ist
nirgends zu erkennen. Auch dieser Gipfel kann daher nur mit einem
Kompromiss enden. Wenn es gut läuft, wird der Status quo optimiert,
werden Mechanismen installiert, um mehr finanzielle Disziplin zu
erzwingen. Das grundsätzliche Problem einer Währung ohne politischen
Unterbau bleibt bestehen.

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