Rheinische Post: Gespaltene Türkei Kommentar Von Thomas Seibert

Viel Grund zur Freude wird Ministerpräsident
Erdogan mit dem Ausgang der Kommunalwahlen in der Türkei nicht haben.
Zwar hat die Erdogan-Partei AKP trotz des brutalen Vorgehens gegen
die Gezi-Proteste des vergangenen Jahres, trotz der
Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung und trotz der Zugangssperren
für Twitter und YouTube großen Rückhalt bei konservativen Türken.
Doch wird der 60-jährige nicht mehr für sich in Anspruch nehmen
können, den „nationalen Willen“, wie er es nennt, zu vertreten.
Erdogan regiert ein tief gespaltenes Land. Der Ministerpräsident hat
diese Spaltung in den vergangenen Monaten ganz bewusst vertieft, um
seine eigene konservative Wählerschaft um sich zu scharen. Gefragt
wären jetzt Kompromissfähigkeit, Transparenz, Dialog – Dinge, die
überhaupt nicht Erdogans Stil entsprechen. Solange der
Ministerpräsident alle Kritiker als Feinde betrachtet, wird das Land
nicht zur Ruhe kommen. Gerade erstattete Erdogan Strafanzeigen gegen
Journalisten – womöglich ein Vorzeichen für das, was der Türkei noch
bevorsteht.

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