Rheinische Post: Isländischer Schock von Klaus Peter Kühn

Europa ist für die Isländer sehr, sehr weit
weg. Das haben sie in ihrer Volksabstimmung am Wochenende erneut
kundgetan. Sie sagen Nein zu dem Vorhaben, für die Verluste im
Ausland aufzukommen, die ihre Banken bei dem irrwitzigen Unterfangen
aufgehäuft haben, ihre Insel südlich des Polarkreises zu einem
Finanzparadies auszubauen. Damit haben sie nicht nur die rot-grüne
Regierung von Johanna Sigurdardottir in eine unmögliche Lage
gebracht, sondern auch die Europäer düpiert. Denn ein Ausgleich der
Forderungen gilt zumindest für Briten und Niederländer als
unabdingbare Voraussetzung für einen EU-Beitritt Islands. Die
Europäische Union ist aber nur einer Minderheit unter den
sturmerprobten Wikinger-Nachfahren wichtig. Fischer und Landwirte,
deren Ansichten im traditionsbewussten Island viel zählen, lehnen
eine EU-Mitgliedschaft entschieden ab, weil sie die Bevormundung aus
Brüssel fürchten. Alle Isländer bedrückt zudem das Trauma des
Banken-Crashs, der das Land in wenigen Tagen von einem
außerordentlich wohlhabenden zu einem nur noch sehr wohlhabenden Land
werden ließ. Die Insulaner versuchen seitdem, sich auf ihre eigenen
Stärken zu konzentrieren, die EU passt da nicht in das Konzept.

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