Rheinische Post: Kommentar / Armes Deutschland? = Von Antje Höning

Der Sozialbericht schreckt pünktlich zum Ende
des Koalitionspokers auf. Danach gilt in Deutschland jeder Sechste
als arm oder von Armut bedroht, Tendenz steigend. Ein gutes Argument,
um den Mindestlohn so umfassend einzuführen, wie es die SPD wünscht?
Oder um die Mindestrente noch üppiger auszugestalten als geplant?
Nein. Arm ist nicht gleich arm, sondern eine Frage der Definition.
Der Bericht verwendet die gängige, gleichwohl fragwürdige
EU-Festlegung, dass arm ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren
Einkommens hat. Danach ist in Deutschland arm, wer über weniger als
980 Euro im Monat verfügt. Gewiss nicht viel, aber arm? In anderen
Ländern liegt die Schwelle weit tiefer – in Rumänien etwa bei 105
Euro. Zudem steigt die Armutsschwelle automatisch, je reicher ein
Land ist – in Norwegen liegt sie bei 2002 Euro. Wirklich alarmierend
ist die Botschaft, dass meist arm bleibt, wer arm ist.
Chancengleichheit herzustellen und Aufstiegs-Chancen zu sichern – das
gehört ins Aufgabenheft der neuen Regierung, nicht die schlichte
Umverteilung.

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621

Weitere Informationen unter:
http://