Rheinische Post: Kommentar / Dieser Prozess lässt zu viele Fragen offen = VON STEFANI GEILHAUSEN

Der Mann, der seine Rockabilly-Haartolle unter
einem Fischerhut versteckt, als sich die Kameras nach seinem
Freispruch auf ihn richten, ist nicht besonders sympathisch.
Fremdenfeindlich ist er, ein Ausländerhasser mit einer in den Rumpf
gestochenen Tätowierung der SS-Wevelsburg unter dem kleinkarierten
Hemd. Einer, der gern auf andere zeigt, sie verachtet und lächerlich
macht, wenn sie nicht auf seiner Linie sind. Ein Rechtsextremist und
Spießer, der sich vor 18 Jahren über Straßenmüll echauffierte in
seinem Viertel, wo sie ihn den Sheriff nannten. Und der jetzt
irgendwo im Wald Dosensuppe auf einem selbstgebauten Kocher wärmt. Um
genau zu sein: Er ist ein Unsympath. Das ist für all jene, die nicht
gerade freiwillig mit ihm zu tun haben, schwer zu ertragen. Aber
strafbar ist es nicht.

Das Landgericht Düsseldorf hat ihn freigesprochen vom Vorwurf des
zwölffachen Mordversuchs und dem des Herbeiführens einer
Sprengstoffexplosion. 32 Tage hat das Gericht die in drei Jahren
zusammengetragenen Indizien der Staatsanwaltschaft geprüft und sie
nicht erst am Ende für nicht belastbar erklärt. Schon früh hatte der
Richter auf ein zügiges Ende des Prozesses gedrängt. Das sah nicht
gut aus. Aber es ist das gute Recht der Richter. Um die Rechte der
Opfer ist es in diesem Verfahren nur am Rande gegangen. Sie haben
weit mehr ertragen als die Folgen einer Sprengstoffexplosion.
Ermittlungsfehler der Polizei, gerade in den Anfangstagen, die
genauso wenig zu heilen waren. Hinweise, die 17 Jahre lang unbemerkt
in den Akten schlummerten. Dann präsentiert die Justiz einen Täter,
nach all den Jahren der quälenden Fragen nach dem Warum – um die
Hoffnung auf Antworten nach wenigen Monaten wieder zu nehmen, diesmal
vielleicht für immer. Da hat es an vielen Stellen an Sorgfalt gefehlt
– nicht nur bei den Ermittlern von damals.

Sicher, im Jahr 2000 war eine terroristische Vereinigung wie der
Nationalsozialistische Untergrund für die meisten Menschen nicht
vorstellbar. Heute wissen wir es besser. Und doch ist der NSU-Prozess
so zäh verlaufen, dass er öffentlich kaum mehr wahrgenommen wurde. In
Düsseldorf dagegen ist im anderen Extrem mit dem Wehrhahn-Anschlag
kurzer Prozess gemacht worden. 32 Verhandlungstage für zwölffachen
Mordversuch – manches Betrugsverfahren dauert länger. In beiden
Fällen fällt kein gutes Licht auf den Umgang der deutschen Justiz mit
fremdenfeindlichen Straftaten.

Das ist Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten. Das ist fatal.

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