Rheinische Post: Kommentar / Einlagensicherung ist ein Muss für Europa = Von Georg Winters

Der Bundesfinanzminister hat mit seinem Vorpreschen in Sachen
Einlagensicherung den Koalitionspartner CDU vor den Kopf gestoßen. Sich
öffentlich zu dem Thema zu äußern, ohne vorher mit den Kabinettskollegen aus der
Union geredet zu haben, löst eine neue Belastungsprobe für Schwarz-Rot aus.
Dabei kann eine große Koalition, deren Fortbestand durch Diskussionen über
Grundrente, Verteidigungspolitik und Spitzenpersonal stärker in Frage steht denn
je, keinen zusätzlichen Sprengstoff gebrauchen.

Dass Scholz innenpolitisch unklug gehandelt hat, ist aber nur die eine Seite. In
der Sache hat der Vorschlag durchaus seine Berechtigung. Man mag Sympathien für
Sparkassen und Volksbanken aufbringen, die mitsamt Sparern und Genossen nicht
für mögliche Spätfolgen einer Finanzkrise aufkommen wollen, die sie nicht
verschuldet haben.

Aber: Wer die Bankenunion mit all ihren Bestandteilen ernst nimmt, kommt nicht
an einer gemeinsamen Einlagensicherung vorbei. Denn die wäre bedeutend größer
als nationale Sicherungssysteme, sie könnte mehr Vertrauen im Krisenfall
schaffen, Europas Banken womöglich attraktiver für Investoren und die Institute
wettbewerbsfähiger im Vergleich mit der transatlantischen Konkurrenz machen.
Davon könnten alle profitieren. Und: Wer ständig nur auf mögliche Krisenbanken
in Südeuropa schimpft, verkennt die Probleme vor der eigenen Haustür. Deutsche
Bank und Commerzbank zum Beispiel sind meilenweit von Europas Spitze entfernt.

Wenn Olaf Scholz es ernst meint und seinen Vorschlag zur Einlagensicherung an
gemeinsame Insolvenzregeln und eine stärkere Steuerharmonisierung in Europa
knüpft, liefert seine Idee einen wertvollen Diskussionsbeitrag. Mehr ist es
derzeit ohnehin nicht.

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