Das Erdbeben war den traditionellen
Volksparteien vorhergesagt. Dennoch ist der Anblick von Union und SPD
nach der Bayern-Wahl furchtbar. Die CSU hat noch nicht einmal mehr
die Kraft, die Worte „absolute Mehrheit“ zu buchstabieren. Die
Sozialdemokraten sind pulverisiert. Sie sind mit dem Ergebnis in
Bayern in einer neuen Dimension der Bedeutungslosigkeit angelangt.
Dieses historische bayerische Ergebnis verbietet ein Weiter-so in
Berlin. Eine Kabinettsumbildung, an deren Ende der bisherige CSU-Chef
Horst Seehofer der Regierung nicht mehr angehört, wäre ein Anfang.
Notwendig ist auch ein Wir-haben-verstanden-Signal der CDU, die
zumindest mal einen Plan vorlegen muss, wie die Nachfolge von
Parteichefin Merkel organisiert werden soll. Der Parteitag im
Dezember wäre dafür das richtige Forum. Und für die Sozialdemokraten
reicht es eben nicht, sich nur in der Renten- und Wohnungspolitik zu
Anwälten der kleinen Leute aufzuschwingen. Sie müssen es auch in der
Integrations- und Sicherheitspolitik tun.
Keine Frage: Diese bayerischen Landtagswahlen sind in Berlin
entschieden worden. Die Hauptakteure auf dem Berliner Parkett, Union
und SPD, sind in München dafür abgestraft worden, dass sie über ihren
Streit um Flüchtlingspolitik und die Zukunft des
Verfassungsschutzpräsidenten die Bodenhaftung und das Gespür fürs
Volk verloren haben. Die CSU muss aber gar nicht anklagend mit dem
Finger in Richtung Hauptstadt weisen. Die beiden handfesten
Regierungskrisen im Juni und im September hat jeweils CSU-Parteichef
Seehofer angezettelt.
Es sind nicht nur die Regierungskrisen, die die Wähler zu dem
breit gefächerten Angebot der anderen Parteien getrieben haben. Es
herrscht inzwischen Misstrauen, ob die traditionellen Volksparteien
überhaupt in der Lage sind, den Wohlstand für die Zukunft durch
effiziente Digitalisierung, anpassungsfähige Sozialsysteme,
zielgerichtete Bildung, notwendigen Umweltschutz und konsequente
Migrationspolitik zu gestalten. Ein Jamaika-Bündnis auf Bundesebene
hätte diesen Themen mehr Auftrieb geben können, als es die
Beharrungskräfte der Groko vermögen. Auch das haben die bayerischen
Wähler zum Ausdruck gebracht.
Wer angesichts der Schwäche von Union und SPD die Grünen nun schon
als neue Volkspartei begrüßen möchte, liegt falsch. Ein zentrales
Kriterium von Volksparteien ist, dass sie dauerhaft mehr als 30
Prozent Zustimmung erhalten. Davon sind auch clever agierende Grüne
weit entfernt.
Das Ergebnis der AfD sendet das beruhigende Signal, dass diese
Partei ihr Potenzial ausgeschöpft zu haben scheint.
www.rp-online.de
Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621
Original-Content von: Rheinische Post, übermittelt durch news aktuell