Eine Gemeinsamkeit von CDU und CSU im Wahlkampf
ist nun gewiss: Die Kanzlerkandidatin. Die nüchterne Botschaft des
Tages lautet nur: Wir wollen, dass Merkel Kanzlerin bleibt.
Begeisterung, Aufbruch, Siegeswillen klingen anders. Die CSU hat zu
lange mit ihrer Rückendeckung für Merkel gewartet, als dass die Union
ohne Schaden aus ihrem Streit um die Obergrenze hervorgehen könnte.
Dass die Umfragewerte von Merkel-Herausforderer Schulz derart durch
die Decke schießen, liegt nicht an der Genialität des SPD-Kandidaten,
sondern vor allem an der hausgemachten Schwäche der Union. Der
Versuch von CDU und CSU, die 30-Prozent-Umfragewerte der SPD neben
sich einfach zu ignorieren, ist eine hilflose Reaktion. Diese
Strategie wird voraussichtlich bis zur NRW-Landtagswahl anhalten:
Merkel wird in ihre alte Rolle zurückfallen und in den weltpolitisch
unsicheren Zeiten ihr „Sie kennen mich“ verbreiten — in der
Hoffnung, dass die Bürger in der Krise auf das Bewährte setzen.
Schulz wiederum dürfte mit einem „Ich verstehe euch“ kontern – in der
Absicht, Merkel an ihrem Schwachpunkt zu packen, der in der
Kommunikation mit den Bürgern liegt. Damit dürfte ihm mehr Erfolg
beschieden sein als ihr. Die Masche Merkel hat an Zugkraft verloren.
Wenn Merkel wirklich Kanzlerin bleiben will, muss sie vor allem die
aufkeimende Zwölf-Jahre-Merkel-sind-genug-Stimmung verscheuchen. Bei
Kohl war es Dank des Mauerfalls erst nach 16 Jahren soweit. In
unserer schnelllebigen Zeit sind zwölf Jahre Amtszeit schon eine
Ewigkeit. Ein Stimmungsumschwung kann Merkel nur mit einer
offensiveren Kommunikation und neuen Ideen für eine neue
Kanzlerschaft gelingen. Sie wird inhaltlich mehr Profil zeigen
müssen, als es bislang ihre Art war. Merkels bisherige
Paradedisziplin, die Außenpolitik, fällt als Wahlkampfhilfe vorerst
aus. Ihre wichtigen Verbündeten, die sie als mächtigste Frau der Welt
respektiert und teils hofiert haben, sind mittlerweile ohne Einfluss:
Barack Obama, Francois Hollande, David Cameron, Matteo Renzi. Die
wachsende Zahl autoritär und national agierender Staatenlenker lassen
Merkel isoliert wirken. Diese Entwicklung bedroht Deutschland auch
ökonomisch: Das Erfolgsmodell des Exportweltmeisters ist in Gefahr.
Wenn Merkel dagegen erfolgreich für ein Fortbestehen von Freihandel
und Multilateralismus kämpft und die bestehende Abhängigkeit unseres
Wohlstands von einer freiheitlichen Weltordnung auch kommunikativ
herstellt, kann sie als Regierungschefin gegen Schulz punkten.
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