Rheinische Post: Kommentar / Merkels große Chance = Von Michael Bröcker

Die Bundeskanzlerin hatte bisher kein Händchen
für Bundespräsidenten. Sie wollte den politikfernen Experten Horst
Köhler und wurde von seinem Rücktritt überrascht. Sie wollte einen
erfahrenen Politikprofi und bekam Christian Wulff. Sie wollte eine
zweite Amtszeit von Joachim Gauck und muss seinen Verzicht hinnehmen.
Jetzt muss die Kanzlerin einen Kandidaten finden, der Aufbruch
signalisiert und sie innenpolitisch wieder in die Offensive bringt.
Das klingt kompliziert – ist aber vor allem eine große Chance für
Angela Merkel. Sie könnte, beispielsweise, die Grünen für eine
Richtungsentscheidung gewinnen, Schwarz-Grün hätte sogar eine
Mehrheit im ersten Wahlgang. Merkel könnte aber auch auf Risiko
spielen, im dritten Wahlgang braucht es nur die einfache Mehrheit.
Sie könnte also jemanden nominieren, der die Union begeistert, der
das gerupfte konservative Profil stärkt. Wen sollte die SPD gegen
diesen erfahrenen Europäer und gestandenen Konservativen in Stellung
bringen? Frank-Walter Steinmeier würde jedenfalls nicht gegen
Wolfgang Schäuble antreten. So birgt Gaucks Rückzug die Chance, dem
Land im Februar eine Richtung zu geben. Die Kandidatenkür entscheidet
im Super-Wahljahr auch über die politische Gestaltungskraft in diesem
Land.

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