Rheinische Post: Kommentar / Ministerin Nahles hebelt die Tarifautonomie aus = Von Martin Kessler

Wenn Historiker einmal das Auf und Ab am
deutschen Arbeitsmarkt beschreiben, werden sie das
Tarifvertragsgesetz von 1948, die Veränderung des Streikparagrafen
116, die Lohnentwicklung der späten 90er Jahre sowie die Hartz-Reform
von 2005 als wichtige Wegmarken einer beschäftigungsfreundlichen
Politik werten. Sie könnten aber auch dereinst das neue
Mindestlohngesetz von Arbeitsministerin Nahles als Wendepunkt eines
bis dahin dauernden Beschäftigungsbooms ansehen. Denn die
SPD-Politikerin plant eine massive Intervention des Staates in die
Tarifautonomie. Eines der Glanzstücke unserer Verfassung wird damit
ausgehöhlt. Nahles will dem Staat erlauben, überall Mindestlöhne zu
beschließen, wo es angeblich nicht gerecht zugeht. Statt mit der
wirtschaftlichen Realität vertraute Tarifpartner sollen nun Beamte
und Spitzenfunktionäre die Vergütungen festlegen. Das Ganze wird
flankiert von einem allgemeinen Mindestlohn, der künftig eher
politische als wirtschaftliche Konstellationen widerspiegelt.
Deutschland führt ohne Not ein System der staatlichen Lohnfindung
ein, unter dem andere Länder wie Frankreich oder Italien so leiden.
Selten lag ein Gesetzesvorhaben so falsch.

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