Rheinische Post: Kommentar / Putin allein im Stadion = Von Stefan Klüttermann

Von Zeit zu Zeit gelangen Politiker zu der
Überzeugung, ein Zeichen setzen zu müssen. Eine ausgesetzte
Diätenerhöhung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten etwa. Die
Teilnahme an einer Mahnwache bei Minusgraden oder Dienst bei der
Suppenausgabe einer Obdachlosenunterkunft. Nun also diskutiert die
Politik, ob ihre prominentesten Vertreter die Fußball-WM im Juni
boykottieren sollten. Das wäre wirklich ein Zeichen. Dafür, dass
Russland mit der mutmaßlichen Vergiftung des Doppelagenten Sergej
Skripal und dessen Tochter das über Jahre gefüllte Fass an
Provokationen, Völkerrechtsverletzungen und politischer Manipulation
endgültig zum Überlaufen gebracht hat. Der Fernsehzuschauer hat sich
so daran gewöhnt, dass Politiker den Sport zur Eigenwerbung nutzen,
dass es Fotos von Angela Merkel aus der Kabine der Nationalelf gibt –
es dürfte ihm auffallen, wenn der Westen Wladimir Putin allein auf
der Tribüne sitzenlässt. Und so würde ein leerer Platz im Stadion als
größeres persönliches Opfer wahrgenommen als Frieren bei der
Mahnwache. Traurig, aber wahr.

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