Sollen wir Sisyphus bemühen, der immer wieder seinen Stein 
den Berg hochrollen muss, oder ist es der Gordische Knoten, der nach einem Hieb 
verlangt? Welche Metapher auch immer, klar ist: Die Situation im britischen 
Königreich ist verfahren. Dreieinhalb Jahre nach dem Brexit-Referendum ist das 
Land zerstrittener denn je. Die eine Hälfte der Bevölkerung ist mit der anderen 
verfeindet. Der Regierung fehlen 45 Stimmen zur Mehrheit, sie kann nichts auf 
den Weg bringen. Im Unterhaus gibt es keine Mehrheit – weder für einen harten 
Brexit noch für einen weichen Brexit oder für eine erneute Volksbefragung. In 
dieser Situation ist geradezu herzerwärmend, dass sich das Unterhaus doch noch 
zu etwas durchringen konnte: Es soll Neuwahlen im Dezember geben.
Ob die das Schlamassel lösen werden, muss sich zeigen, aber es ist einen Versuch
wert. Mehr noch: Es ist lange überfällig. Denn die Briten haben in den letzten 
zwei Jahren nicht mitreden dürfen, während die Parteien auf der Stelle traten 
und die Zerrissenheit größer wurde. Die letzten Wahlen von 2017 haben ein 
Parlament geschaffen, das der Brexit-Krise nicht gewachsen war. Der Imperativ 
der direkten Demokratie – das Referendumsergebnis – kollidierte mit dem Auftrag 
der Wähler, das beste Ergebnis für das Land zu finden. Aber es konnte nicht 
gefunden werden. Jetzt braucht es klare Mehrheitsverhältnisse mit einem ebenso 
klaren Mandat vom Wähler, wie der Brexit aussehen soll. Die Torys werden 
Johnsons Deal anbieten können, und Labour offeriert ein zweites Referendum. Die 
Liberalen setzten auf eine Widerrufung der Austrittsentscheidung, und die 
Brexit-Partei will die härteste aller Scheidungen. Das sind klare Alternativen 
für den Souverän. Das Wahlvolk ist gefordert. Es muss den Gordischen Knoten 
zerschlagen. Oder den Stein auf den Berggipfel wälzen und von dort nicht mehr 
herunterrollen lassen.
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