Rheinische Post: Kommentar: Zeit für eine Agenda 2030

Kommentar: Zeit für eine Agenda 2030

Die Wirtschaft boomt, der Aufschwung geht ins achte Jahr. Für eine
reife Volkswirtschaft wie die deutsche ist das Wachstum beachtlich.
Regieren könnte leicht sein wie nie, stattdessen tun sich die
Parteien schwer wie nie, eine neue Regierung zu bilden. Dabei gibt
es, wie schon Gerhard Schröder wusste, keine rechte oder linke
Wirtschaftspolitik, sondern nur richtige oder falsche. Das gilt erst
recht in Zeiten der Digitalisierung und des verschärften globalen
Wettbewerbs. Union und SPD sind sich immerhin einig, dass die die
kalte Progression beseitigt und die Mittelschicht steuerlich
entlastet werden muss. Wenn schon ab einem Jahreseinkommen von 55.000
Euro der Spitzensteuersatz fällig wird, ist etwas faul im
Steuerstaat. Im Gegenzug aber will die SPD den Spitzensatz anheben.
Damit würde sie auch Selbstständige und Personengesellschaften
treffen. Sieht sie nicht, wie Trump mit seiner Reform gerade den
Steuerwettbewerb anheizt? Und sieht sie nicht, dass – auch unter
Gerechtigkeitsaspekten – Energie- und Sozialabgaben das eigentliche
Problem sind? Schon jetzt liegt die Sozialabgaben-Quote nur
schöngerechnet unter 40 Prozent. Eine kluge Regierung würde die guten
Zeiten nutzen, um für demografisch harte Zeiten vorzusorgen. Statt
dessen dreht sich die Debatte um die Frage, ob man neue
Rentengeschenke zu Lasten der Beitragszahler lieber für Mütter (CSU)
oder für Geringverdiener (SPD) verteilen will.

Dabei gibt es eine klare Agenda für richtige Sozialpolitik: Die
Arbeitslosenversicherung braucht einen Automatismus wie in der
Rentenkasse – bei Milliardenüberschüssen muss der Beitrag runter, die
Arbeitsagentur ist schließlich keine Sparkasse. In der Rentenpolitik
müssen jetzt die Weichen für 2030 gestellt werden, wenn die
Babyboomer in Ruhestand gehen, die selbst zu wenig Kinder haben, um
den Generationenvertrag zu sichern. Eine weitere Anhebung des
Rentenalters über 67 hinaus oder weitere Abschläge dürfen kein Tabu
sein. Gesundheitsminister Gröhe hat wegen des Booms beim Thema
Kassenfinanzen lange die Hände in den Schoß gelegt. Doch im nächsten
Abschwung, spätestens 2030 stellt sich auch hier die Kostenfrage neu.
Deutschland muss Kliniken schließen und den Gesundheitsfonds
reformieren. Wer jenen Kassen das meiste zahlt, die ihre Patienten
besonders krank schreiben, setzt falsche Anreize. Merkels erste Groko
setzte die nötige Rente mit 67 durch, Merkels zweite Groko gab vor
allem Geld aus. Die nächste Regierung muss wieder zukunftsfähige
Politik machen. Zeit für eine Agenda 2030.

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