Rheinische Post: Kommentar zur FDP: Rösler erinnert sich an Helmut Kohl

Da hat der nette Herr Rösler aber mal seine
andere Seite zum Vorschein kommen lassen. In einem beispiellosen
Machtkampf hat der FDP-intern als „Fipsy“ karikierte
Parteivorsitzende den 67-jährigen, erfahrenen Fraktionschef Rainer
Brüderle überlistet. Wie einst Helmut Kohl seinen Intimfeind Kurt
Biedenkopf vor der versammelten Parteiführung niederrang, zwang nun
Philipp Rösler im FDP-Präsidium seinem Rivalen die Vertrauensfrage
auf. Wenn er den Parteichef machen wolle, dann bitte schön jetzt,
servierte Rösler Brüderle den Vorsitz auf dem Silbertablett. Doch
Genussmensch Brüderle zögerte, und lehnte ab. Damit konnte Rösler
eine Art konstruktives Misstrauensvotum herbeiführen. Der ewige
Widersacher Brüderle, von vielen als legitimer Nachfolger Röslers
gehandelt (und erwünscht), kann nun seinem Parteichef nicht mehr
öffentlich in die Parade fahren. Er könnte es ja selbst besser
machen. Der Bambus biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht, sagt
Rösler gerne. Jetzt hat der Bambus erstmals zurückgeschlagen. Rösler
geht einen Schritt zurück, um neuen Anlauf zu nehmen. Bis zum
Parteitag ist er gestärkt. Dass Rösler den Sieg in Niedersachsen aber
nicht für den vollen Machtanspruch, also beide Ämter, genutzt hat,
zeigt aber auch, dass er dem Burgfrieden in der Partei nicht traut.
Brüderle hat nun eine Rechnung mit ihm offen. Er wird als Spitzenmann
jede Gelegenheit nutzen, um die öffentliche Wahrnehmung für die FDP
in Anspruch zu nehmen und Rösler zur Seite drängen. Die neue
Doppelspitze ist – um in Brüderles Fußballersprache zu bleiben –
ausgelaugt, bevor sie ein Tor erzielt hat. Was Christian Lindner
vorhat, der von Brüderle vergeblich als Mitstreiter Umworbene, ist
unklar. Wahrscheinlich, dass die Rösler-Kritiker keine Ruhe geben,
solange bei Rösler das Schild des Parteivorsitzenden an der Tür
hängt.

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