Es sind deprimierende Zahlen für
CDU-Herausforderer Norbert Röttgen, die ihm die Demoskopen für die
Landtagswahl am 13. Mai voraussagen: 30 oder 31 Prozent. Gleichzeitig
prognostizieren die Institute SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
wenigstens 38 Prozent der Stimmen. Gemeinsam mit den elf Prozent der
Grünen würde das für eine rot-grüne Mehrheitsregierung reichen und
nicht mehr nur für eine Minderheitsregierung. Daran änderten die
voraussichtlichen Wahlerfolge der FDP (sechs) und der Piraten (bis zu
acht Prozent) nichts. Noch sind die Düsseldorfer Prognosen mit
Vorsicht genießen. Die Analysen aber für die Umfragen sind in den
meisten Punkten Lager übergreifend: In NRW herrscht keine
Wechselstimmung. Regierungen aber werden ab- und nicht Oppositionen
gewählt. Die rot-grüne Minderheitsregierung jedoch ist kurz im Amt.
Ihre offene Flanke, die Schuldenpolitik, ist deprimierend wichtig.
Für viele Wähler bleibt dies dennoch ein abstraktes Thema. Die Folgen
sind nicht unmittelbar verständlich und präsent, das Fell der Bürger
ist nach all den Debatten über Milliarden-Rettungsschirme in diesen
Fragen dick. Hannelore Kraft liegt zudem im persönlichen Vergleich
mit ihrem Herausforderer klar vorn. Sie hat den Amtsbonus, spielt
ihre persönlichen Stärken gekonnt aus und hat es so geschafft, diesen
Wahlkampf paradoxerweise zu entpolitisieren und in ein Casting Herz
(Kraft) gegen Kopf (Röttgen) umzuwidmen. Im Land der Eckkneipen und
des Karnevals aber kommt man mit dem Herzen erfahrungsgemäß weiter
als nur mit der Ratio, die dann auch noch lückenhaft wirkt (wie bei
Röttgens fehlenden Sparvorschlägen). Dem CDU-Kandidaten muss das im
Übrigen bekannt vorkommen: Mit einer ähnlichen Taktik der
„asymmetrischen Demobilisierung“ entschied Angela Merkel 2009 die
Bundestagswahl für sich. Trotzdem ist sich Kraft ihrer Sache spürbar
noch nicht sicher. Ihre Wunschkonstellation Rot-Grün mit stärkerer
SPD und im Vergleich zu 2010 geschwächten Grünen ist weniger durch
die CDU denn von der neuen Volatilität des Parteiensystems bedroht.
Das Abschneiden der Piraten etwa ist ein wichtiger Faktor für die
Frage, ob die Mehrheit links von der Mitte in NRW mit ihren 60
Prozent allein die Richtlinien der Politik bestimmen kann. Denn die
Piraten verweigern sich der Regierungsverantwortung. Angesichts des
politischen Reifegrades dieser „Linkspartei mit Internetanschluss“
muss man seufzen: Gott sei Dank. Allerdings schwört auch die
wiederbelebte Lindner-FDP bei Lambsdorff und Genscher, dass sie als
Mehrheitsbeschaffer nicht zur Verfügung steht. Die Unterschiede zu
Rot-Grün seien unüberbrückbar. So geht Nordrhein-Westfalen in die
letzte Woche vor der Wahl mit zwei wahrscheinlichen Wahlausgängen:
einer eigenen Mehrheit für ein Bündnis Kraft-Löhrmann oder der
Alternative der Großen Koalition von Kraft mit den
CDU-Fraktionsführern Laumann oder vielleicht Laschet.
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