Ein Kommentar von Helmut Michelis:
Es ist traurig, aber nicht überraschend, dass Libyen so schnell
nicht zur Ruhe kommt. Die Lage in der Hauptstadt war gestern unklar.
Noch steht der Sieg der Aufständischen offenbar auf tönernen Füßen.
Berichte über Massenhinrichtungen Gefesselter machen zudem deutlich,
dass es nicht gelingt, die Rebellen-Kämpfer unter Kontrolle zu
halten. Ihre Racheaktionen galten nicht nur Gaddafi-Getreuen,
sondern, irrtümlich, auch schwarzafrikanischen Gastarbeitern und
anderen Unbeteiligten. Es wird gemordet und geplündert in Tripolis.
Die Herrschaft des Mobs muss schnellstens enden, damit das innerlich
tief zerrissene Land eines Tages zusammenfinden kann. Zu allem
Überfluss zeichnet sich ein neuer Machtkampf ab: Die Sieger von
Tripolis sollen mehrheitlich aus dem Westen Libyens stammen, der
Übergangsrat kommt aus dem Nordosten, die vielen einflussreichen
Stämme wollen ebenfalls mitreden. Hoffentlich wird dieser Streit
nicht mehr mit Waffen ausgetragen. Wohin fließen jetzt Gaddafis
eingefrorene Milliarden? Wer bestimmt, wem künftig die Einnahmen aus
der Ölförderung zugute kommen? Das Geld kann beim Wiederaufbau des
Staates gute Dienste leisten, aber auch Begehrlichkeiten wecken. Der
Kampf um Libyen, er ist leider nicht zu Ende.
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