Auch vor dem Hintergrund der türkischen
Offensive im Norden Syriens stellt die deutsche Lieferung von 354
„Leopard“-Kampfpanzern an die Türkei rückblickend offenbar keinen
Völkerrechtsverstoß dar. Zu diesem Ergebnis kommen nach einem Bericht
der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe)
zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.
Allerdings gilt das nicht für künftige Exporte mit dem Wissen von
heute. „Zumindest könnte die Bundesregierung bei künftigen Waffen-
und Rüstungsexporten belangt werden, wenn Erdogan erneut friedliche
Menschen in einem anderen Staat mit deutschen Waffen tötet, wie er es
in Afrin gerade vormacht“, sagte die Linken-Abgeordnete Evrim Sommer
mit Bezug auf die beiden Gutachten. Die Türkei sei kein
vertrauenswürdiger Partner mehr, deshalb müsse die „Kumpanei mit
Erdogan endlich beendet werden“, so Sommer.
Die Parlamentsjuristen sehen die Mehrheitsmeinung über
(völkerrechtlich zulässige) Angriffe auf nichtstaatliche Akteure wie
die kurdische YPG in Nordsyrien im Wandel. Die Gutachten verweisen
auf eine Reihe von offenen Fragen, wie etwa die Zweifel daran, ob es
tatsächlich zuvor einen großen bewaffneten Angriff der YPG auf die
Türkei gegeben habe, so dass sich Ankara auf eine völkerrechtsmäßige
Selbstverteidigung berufen kann. Wer einem Selbstverteidigungsrecht
gegen solche Akteure nicht folge, für den „dürfte die türkische
Militäroffensive einen Verstoß gegen das Gewaltverbot des Art. 2.
Abs. 4 VN-Charta darstellen“, heißt es in einem der beiden Gutachten
weiter. Dann gebe es nicht nur einen Verstoß gegen die Charta der
Vereinten Nationen, sondern auch einen gegen Art. 1 des
Nato-Vertrages. Die Verantwortlichkeit der Bundesregierung müsse
jedoch daran festgemacht werden, ob sie zum Zeitpunkt der
Exportgenehmigung Kenntnis von einer solchen Militäroffensive hatte
oder damit hätte rechnen können. Das verneinen die
Bundestagsjuristen. Die Regierung habe daher einen weiten
außenpolitischen Entscheidungsspielraum gehabt. In einem zweiten
Gutachten wird zudem geklärt, dass auch das EU-Recht dem Waffenexport
nicht entgegenstand, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine
„Gemeinsamen Standpunkte“ der EU zu Waffenexporten gegeben habe.
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