Rheinische Post: Provokationen gegen Erdogan bringen nichts

Kommentar von Martin Kessler

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan musste sich eines
Putsches erwehren und ging danach mit aller Härte und ohne
rechtsstaatliche Flankierung gegen Regierungsgegner vor. Das verdient
scharfe Kritik. Aber man muss mit dem autoritärer werdenden
Präsidenten klug umgehen. Die unverbindliche Forderung des
EU-Parlaments, die Beitrittsgespräche mit der Türkei einzufrieren,
lassen diese Klugheit vermissen. Der Beschluss war eine unnötige
Provokation. Das Vorhaben der Abgeordneten ist folgenlos, ärgert
Erdogan aber maximal. Die EU ist gut beraten, wenn sie konkret die
Verfehlungen der türkischen Regierung anprangert und die zu Unrecht
Verfolgten in Schutz nimmt. Aber sie darf nicht übersehen, dass
Erdogan ein zwar schwieriger, aber noch immer verbündeter Präsident
ist. Das verlangt vom EU-Spitzenpersonal eine Gratwanderung. Ein
offizieller Stopp der Beitrittsverhandlungen ist auch unnötig, weil
dieser Prozess derzeit ohnehin stockt. Er nähme zudem den wenigen
noch vorhandenen demokratischen Oppositionskräften in der Türkei die
Beitrittsperspektive. Am Ende werden die Noch-Partner Türkei und EU
zu Feinden – zum Schaden beider.

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