Rheinische Post: Sie haben die Richtungs-Wahl!

Vergessen Sie die vergangenen Wahlkampfwochen.
Die Debatten über Banales und Belangloses. Den Mittelfinger des
SPD-Kanzlerkandidaten, den Halsschmuck der Kanzlerin, die
Fleisch-Aversion der Grünen, die morschen Wahlplakate der SPD. An
diesem Sonntag geht es auch nicht darum, ob Angela Merkel das Land
weiter sanft durchmoderieren oder Peer Steinbrück die Kavallerie aus
dem Kanzleramt ausreiten lassen darf. Es geht an diesem Sonntag
schlicht um eine Richtungsentscheidung. Eine Weichenstellung für
Deutschland. Es geht in den nächsten vier Jahren darum, die größte
Volkswirtschaft Europas fit zu machen für den Wettbewerb mit den
Boom-Regionen der Welt. Und es geht um die Frage, ob eine reformmüde
und alternde deutsche Gesellschaft den Stresstest der Globalisierung
bestehen kann. Und wenn ja, wie? Die Angebote der Parteien sind
entgegen der öffentlichen Wahrnehmung unterschiedlich. Das Gerede vom
parteipolitischen Einheitsbrei ist Unsinn. Ein ehrlicher Blick in die
Programme genügt. Beispiele gefällig? Bekämpfen wir die europäische
Staatsschuldenkrise nach dem Prinzip des Förderns und Forderns, oder
heißt „mehr Europa“ vor allem mehr Geld aus Deutschland? Fügen wir
der existierenden Haftungsunion im Zentralbanksystem eine
institutionalisierte Schuldengemeinschaft hinzu, die jeglichen
Konsolidierungsanreiz beseitigt? Reformieren wir den Föderalismus in
Deutschland so, dass Kompetenzen dort gebündelt werden, wo sie auch
liegen, ohne das Prinzip der Subsidiarität aufzugeben? Ist uns die
Ehe als Keimzelle der Familie einen besonderen Schutz wert, auch
steuerlich? Konzentrieren wir alle finanziellen Leistungen auf die
Betreuungs-Infrastruktur, oder zahlen wir Eltern direkt Hilfen für
die Erziehung? Wer finanziert ein würdiges Altern und eine verdiente
Rente: die Beitragsgemeinschaft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder
auch jeder Einzelne über eine teilweise private Vorsorge? Müssen wir
einige Steuern für Einige erhöhen, oder leisten wir uns bei
historisch hohen Steuereinnahmen zuallererst eine grundlegende
Aufgabenkritik des Staatlichen? Funktioniert die Energiewende nur mit
einer Garantie-Rendite für Öko-Anbieter oder mit mehr Wettbewerb? All
diese Fragen können Sie mit Ihren Stimmen mitentscheiden. Man muss
gar nicht das Wahlrecht als Ehre und Hochamt der Demokratie bewerben,
um den Urnengang zu propagieren. Wählen sollten Sie aus eigenem
Interesse. Je knapper die Verhältnisse, desto einflussreicher Ihre
Stimme. Sonst könnte es sein, dass Sie sich vier Jahre lang ärgern.

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