von Matthias Beermann
Sieh mal einer an: Nach zwei Jahren politischer Dauerkrise im
Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei kommen ungewohnt
versöhnliche Töne aus Ankara. Statt Nazi-Vorwürfen sind plötzlich
Freundschaftsbeteuerungen zu hören. Alles also nur ein großer Irrtum?
Nein, alles nur Taktik. Denn Erdogans überraschende Charmeoffensive
ist nicht einem Umdenken geschuldet, sondern allein der nüchternen
Erkenntnis, dass die negativen Folgen der Isolation der Türkei seine
politischen Pläne zu durchkreuzen drohen. Erdogan will bei der
Präsidentenwahl im kommenden Jahr seine Herrschaft und die seiner
islamistischen Nachfolger auf Jahrzehnte zementieren. Dafür muss die
Wirtschaft brummen, und dafür braucht er Deutschland. Eine Hand
wäscht die andere – das ist die Politik, die Erdogan vorschwebt, und
in deren Rahmen er sich wohl auch die Freilassung politischer
Gefangener für entsprechende Gegenleistungen vorstellt. So verlockend
solche Deals mit Blick auf die Einzelschicksale inhaftierter
Bundesbürger auch sein mögen – man sollte in Berlin die Finger davon
lassen.
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