Rheinische Post: Urteil für Chirac

Zwei Jahre Haft auf Bewährung ist an sich ein
mildes Urteil für Veruntreuung öffentlicher Gelder und
Vetternwirtschaft. Und doch ist das Urteil gegen den langjährigen
französischen Staatschef Jacques Chirac eine Sensation. Es geht
weniger um das Strafmaß, als darum, dass es in diesem Fall überhaupt
einen Schuldspruch gegeben hat. Zu oft hatte der alte Fuchs es
geschafft, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Immer wieder
hatten die Behörden gezögert, denjenigen, der zwölf Jahre lang die
Geschicke Frankreichs geleitet hatte, zu belangen. Mit ihrem
Urteilsspruch haben die Richter die Staatsanwaltschaft abgewatscht,
das Recht vor die Staatsräson gestellt und damit ein mutiges und
überfälliges Signal ausgesandt: das Signal einer unabhängigen Justiz,
die ihre Arbeit machen kann und auch macht – selbst wenn es um einen
ehemaligen Staatschef geht, dessen Immunität im Amt ihm Übermacht und
Unantastbarkeit verleiht. Und selbst wenn es um Korruption an den
Schaltstellen der Macht geht, die oft augenzwinkernd als
Kavaliersdelikt toleriert wird. Chirac selbst hatte erklärt, er wolle
wie ein gewöhnlicher Bürger behandelt werden. Dies ist nun geschehen.
Die Richter haben der Zwei-Klassen-Justiz eine Absage erteilt.

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