Rheinische Post: Von wegen gemäßigt Kommentar von Henning Rasche

Es stimmt: Der halbe Parteitag hat sich abgewendet, als der
Holocaust-Leugner Wolfgang Gedeon seine Kandidatur für den AfD-Vorsitz erklärte.
Es stimmt auch, dass der neue Vorsitzende Tino Chrupalla nicht dem „Flügel“
angehört. Es stimmt, dass die Delegierten die Tagesordnung weitgehend ohne Chaos
abgearbeitet haben. Und es stimmt, dass man die AfD schon angesichts dessen für
eine Partei halten könnte, die bürgerlich und gemäßigt ist. Aber das wäre
falsch. Die Partei mag in Braunschweig ruhig gearbeitet haben. Das aber als
Mäßigung zu interpretieren, wäre töricht. Das liegt nicht nur an der Hetze gegen
Migranten, die Grünen, ach, gegen alle Nicht-Deutschnationalen, an die sich
manche gewöhnt zu haben scheinen. Nein, dass dieser Parteitag so ablief, liegt
an der Stärke des völkisch-nationalen „Flügels“. Dass niemand gegen die
vermeintlich gemäßigten Jörg Meuthen und Tino Chrupalla aufbegehrte, lässt sich
auf eine gute vorherige Abstimmung zurückführen. Vor allem der „Flügel“ wird
seine Leute aufgerufen haben, das Bild einer bürgerlichen Partei nicht zu
gefährden. Noch am Vorabend des Parteitags sprachen die Führungsleute davon,
dass sie Chaos erwarten. Womöglich wollten sie Erstaunen über das Ausbleiben
provozieren. Dem „Flügel“ gehört laut Schätzungen ein Drittel der AfD-Mitglieder
an. Gegen ihn sind parteiinterne Wahlen kaum zu gewinnen. Die „Flügel“-Leute
könnten für ihre Loyalität in Braunschweig bald einen Tribut verlangen. In der
AfD gibt es nicht nur Rechtsextremisten. Es gibt einige, die sich einen
gedämpften Kurs wünschen, um neue Wähler zu gewinnen. Aber das heißt nicht, dass
die Mehrheit gemäßigt ist. Für mögliche bessere Wahlergebnisse sind einige
Radikale bereit, die Faust in der Tasche zu ballen. Aber nur weil man die Faust
nicht sieht, ist sie nicht weg.

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