RNZ: Entsorgung

Von Manfred Fritz

Thilo Sarrazin ist kein Märtyrer, der seinen Rauswurf suchte, um
darauf eine Alterskarriere als Parteigründer zu bauen. Aber ein
streitbarer Überzeugungstäter ist er immer gewesen. Und bleibt es:
Mit der Verweigerung seines Rücktritts führt er die Bundesbank
vollends als weisungsabhängig vor. Jetzt muss sie ihn mit
juristischer Brechstange aus dem Vorstand entfernen. Fast die gesamte
politische Klasse will das Ärgernis entsorgt wissen. Und Bankchef
Weber hat noch Karrierepläne. Die hat Sarrazin nicht. Was ihm die
Freiheit gab, das Thema auf den Tisch zu bringen, bei dem sich viele
Bürger von einer in Selbstgerechtigkeit erstickten Politik nicht mehr
vertreten fühlen. Über Sarrazin als Bundesbanker und SPD-Mitglied ist
das Urteil wohl gesprochen. Er hat seinen Gegner mit fragwürdigen
Hochrechnungen und einer unhaltbaren Vererbungsthese die Munition
geliefert. Das entwertet aber sein Anliegen noch nicht, eine
schlechte Integrationspolitik anzuprangern. Was aber noch wichtiger
ist: Er hat den Blick auf die beklemmende Kluft zwischen Bürger und
Politik geöffnet. Zum Stuttgart 21-Syndrom kommt das Sarrazin-Virus.
Notwendiger Nachsatz: Bundespräsident Wulff, der bei erster
Gelegenheit parteiisch agierte, hätte zwischen Sarrazin und den
Realitätsverweigerern der Politik die richtigen Worte finden müssen.
Er hat es vermasselt.

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