RNZ: In Freiheit – Kommentar zu Tunesien

Von Christian Altmeier

Die Sehnsucht der breiten Masse nach Freiheit und Gerechtigkeit
hat einmal mehr gegen die Unterdrückung durch eine Diktatur
triumphiert. Tunesiens Bevölkerung hat der Gewalt durch die
Sicherheitsorgane getrotzt und die Machtprobe mit seinem Präsidenten
Ben Ali gewonnen. Alle Zugeständnisse – zu denen sich der Despot
schließlich gezwungen sah – kamen zu spät. Denn der Protest richtete
sich zunehmend gegen den Machthaber persönlich, der für die Probleme
des Landes maßgeblich verantwortlich ist. Ben Ali konnte einen
Neuanfang nicht mehr glaubhaft verkörpern. Nun kommen die Tunesier
zum ersten Mal in den Genuss einer unzensierten Berichterstattung –
und möglicherweise auch freier Wahlen. Wie es danach weitergeht, ist
jedoch noch völlig unklar. Denn eine Opposition ist kaum vorhanden.
Zudem kann auch eine neue Regierung die sozialen Probleme des Landes
– die die Proteste ausgelöst haben – nicht über Nacht beseitigen. Es
wird nun also viel davon abhängen, wieviel Geduld die Tunesier für
Veränderungen aufbringen. Dabei ist vor allem zu hoffen, dass sie
nicht auf die falschen Versprechen von Islamisten hereinfallen, die
sich bald als vermeintliche Heilsbringer aufdrängen könnten.

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