20 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur
Bundesrepublik hat der damalige Kanzlerkandidat der SPD, Oskar
Lafontaine, Fehleinschätzungen im Jahr der Wiedervereinigung
eingeräumt. „Ich habe die Einheitseuphorie unterschätzt, das
rationale Argument schlichtweg überschätzt“, sagte Lafontaine der
Saarbrücker Zeitung (Mittwoch-Ausgabe). Im Nachhinein treffe das
Urteil zu, dass er damals der falsche Kanzlerkandidat der SPD gewesen
sei. Lafontaine bezeichnete aber die Aussage, er sei gegen die
Einheit gewesen, als ,,grundfalsch“. Zur europäischen Einigung gehöre
auch die deutsche Einigung. Im Vordergrund habe für ihn aber die
Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse gestanden. Lafontaine äußerte
die Vermutung, dass der Einigungsprozess anders gelaufen wäre, wenn
im Jahr 1990 keine Bundestagswahlen angestanden hätten. „Die
Versuchung der Regierung Kohl, durch die Einführung der D-Mark zum
Kurs von 1:1 die Wahl zu gewinnen, war groß – und erfolgreich.“ So
seien die Mahnungen von Fachleuten gegen diese Form der
Währungsumstellung in den Wind geschrieben worden. Lafontaine sagte,
er freue sich nach 20 Jahren Einheit, „dass die Menschen in
Ostdeutschland frei reden und reisen können und dass es für viele
einen Zugewinn an Wohlstand gibt. Dagegen bedauere ich die hohe
Arbeitslosigkeit, die große Zahl von Hartz-IV-Empfängern im Osten und
jene Menschen, deren Biografie entwertet worden ist. Und dass die
Chance vertan wurde, die Wirtschaft in Ostdeutschland zu
demokratisieren“. 1990 habe es „historisch einmalige
Gestaltungsmöglichkeiten“ der Politik gegeben. Den Menschen, so
Lafontaine, könnte es heute besser gehen, wenn mit der
Währungsumstellung zum Kurs 1:1 nicht hohe Arbeitslosigkeit im Osten
verursacht, das Volksvermögen zumindest teilweise in
Belegschaftsvermögen umgewandelt worden wäre und „die Treuhandanstalt
nicht das Vermögen der Ostdeutschen an westdeutsche Betriebe
verschleudert“ hätte.
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